taz.de -- Export von Atommüll: Russland erwägt Schnellen Brüter
Offenbar plant Moskau, Uranhexafluorid aus Gronau in einem Kernreaktor zu nutzen. Das Umweltministerium will den Export von Atommüll beschränken.
Bochum taz | Der russische Staatskonzern Rosatom erwägt offenbar, neue Schnelle Brüter zu bauen, um Uranhexafluorid aus der Urananreicherungsanlage Gronau zu entsorgen. Das geht aus einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur RIA hervor, auf die die taz von russischen Atomkraftgegnern hingewiesen wurde. Danach solle Uranhexafluorid in Urandioxid umgewandelt und dann zur Herstellung von „MOX-Brennelementen für Schnellneutronen-Reaktoren“ verwandt werden – also für Schnelle Brüter.
In Deutschland hatte [1][der Bau des Schnellen Brüters] in Kalkar zu massiven Protesten der Anti-Atom-Bewegung geführt, enthalten MOX-Brennelemente doch auch kernwaffenfähiges Plutonium. Der 1985 fertiggestellte Brüter ging deshalb trotz Kosten von rund 6,5 Milliarden Euro nie in Betrieb. Das Bundesumweltministerium, das die Fachaufsicht über die Uranhexafluorid-Exporte aus Gronau führt, äußert sich unter Hinweis auf die „Energie-Souveränität“ Russlands nicht zu den dortigen Neubauplänen. Aus dem für die Ausfuhrgenehmigung zuständigen Bundeswirtschaftsministerium war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.
Dabei dürfte in Kürze ein weiterer Uranhexafluorid-Transport die Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) in Richtung Amsterdamer Hafen und dann Richtung Russland verlassen, am Montag oder vielleicht schon an diesem Freitag. „Der Transportzug wird gerade in der UAA beladen“, sagt Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger Atomausstieg. Auch das Transportschiff „Michail Dudin“ befinde sich bereits in der Nordsee, habe dort aber seinen Transponder abgeschaltet, sodass es über einschlägige Anbieter wie „Marine Traffic“ nicht mehr geortet werden könne.
Nötig sind die Transporte, weil die Gronauer Urananreicherungsanlage trotz Atomausstieg über eine unbefristete Betriebsgenehmigung verfügt und weltweit Dutzende AKWs mit Brennstoff versorgt. Zusammen mit der Brennelementefabrik in Lingen, in der angereichertes Uran zu in AKWs nutzbaren Brennstäben verarbeitet wird, bildet die UAA einen atomindustriellen Cluster. Erst [2][Mitte November hatten Atomkraftgegner] den vorherigen Urantransport stundenlang blockiert.
Der Protest zeigt politische Erfolge
Erste Erfolge zeigen die Proteste gegen die deutsche Atombrennstoffproduktion auch in Berlin. SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze will jetzt verhindern, dass selbst unsichere Altmeiler nahe der deutschen Grenze mit Brennelementen aus Lingen beliefert werden. Das geht aus einem Arbeitsentwurf zur Änderung des Atomgesetzes aus Schulzes Ministerium hervor. „Eine Genehmigung zur Ausfuhr von Kernbrennstoffen in Form von Brennelementen“ dürfe nicht mehr erteilt werden, wenn die belieferten AKWs älter als 30 Jahre alt und von deutschen Grenzen weniger als 150 Kilometer entfernt seien, heißt es darin. Die belgischen „Bröckel-Reaktoren“ Tihange und Doel, in deren Druckbehältern Tausende Risse entdeckt wurden, könnten dann nicht mehr mit in Deutschland hergestellten Brennelementen betrieben werden, ebenso wenig die als unsicher geltenden französischen Reaktoren Cattenom und Fessenheim oder die alternden Schweizer Reaktoren Beznau, Mühleberg, Gösgen und Leibstadt, sie alle könnten ihre Brennelemente nicht mehr aus Deutschland beziehen.
Es gilt aber als unsicher, ob CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier den Plänen der Sozialdemokratin Schulze zustimmt. Sein Ministerium will die deutsche Atombrennstoff-Produktion erhalten. Dabei wäre ein Brennelement-Export lediglich ein „erster und längst überfälliger Schritt“, kritisieren Atomkraftgegner wie Alexander Vent vom Bündnis AtomkraftgegnerInnen im Emsland. Denn Schulzes Arbeitsentwurf ließe eine Hintertür offen: Über den Umweg anderer Brennelementefabriken könne Atombrennstoff aus der UAA Gronau weiter in maroden Reaktoren landen.
„Das eigentliche Problem bleibt“, sagt deshalb die Grüne Sylvia Kotting-Uhl, Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses: Die beiden Atomfabriken Gronau und Lingen häuften „gigantische Mengen Uranreste an“, für die es „kein Endlager“ gebe. „Konsequent“ sei deshalb nur die Stilllegung der Anlagen.
5 Dec 2019
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