taz.de -- Öko-Pläne der CDU Berlin: Der Sohn ist schuld

CDU-Chef Kai Wegner lässt sich angeblich von seinem klimabewegten Nachwuchs überzeugen. Dafür schickt er seine Partei auf einen Öko-Trip.
Bild: Plötzlich grüner Parteipolitiker: CDU-Chef Kai Wegner

Eine Fotomontage steht an der Seite des Raums: Das Tempelhofer Feld – aber nicht frei wie bisher, sondern südlich der Startbahnen komplett bewaldet und vom Hangarrand entlang der Stadtautobahn bis nach Neukölln von neuen Wohnungen umgeben. Die Montage ist der Hingucker beim kleinen Parteitag der CDU, der auch sonst weit mehr überrascht als sonstige Parteitage der Christdemokraten. Denn der „Tempelhofer Wald“, wie die CDU es nennt, ist Teil eines Öko-Beschlusspapiers, das in Teilen wie eine Konvertierung der Partei zu den Grünen wirkt, zugleich aber die Grünen selbst als sozial kalt kritisiert.

Im Dachgeschoss eines noblen Kaufhauses nahe dem Savignyplatz erfährt man von Parteichef Kai Wegner, dass offenbar sein 13-jähriger Sohn dafür verantwortlich ist, dass die CDU-Delegierten an diesem Abend über einen Öko-Leitantrag zu beschließen haben: „“Berlin 2040 – Auf dem Weg zur nachhaltigen Metropole“ heißt der. Mit diesem Sohn nämlich habe er im Zuge der Fridays-for-future-Aktivitäten fast täglich Diskussionen. „Das hat mir auch ein Stück weit die Augen geöffnet“, sagt Wegner, und das klingt wie ein Damaskus-Erlebnis.

Wird da einer vom Saulus zum Paulus? Es klingt schier so, wenn Wegner auch noch die Friday-for-future-Aktivisten gegen Schulschwänzen-Kritik in Schutz nimmt. „Ja, die Schulpflicht gilt“, sagt er – aber man habe doch immer gefordert, dass sich die Jüngeren engagierten, und wenn die das nun täten, könne man dann auch nicht … Überhaupt lobt Wegner den freitäglichen Schulstreik in einer Weise, die nicht allen dabei Aktiven gefallen dürfte: „in einem guten Rahmen“ bewege sich das, „angemeldet“ seien die Proteste, und die seien „nicht rebellisch, sondern richtig sympathisch“.

Eine von diesen in Wegners Augen nicht rebellischen Jugendlichen sitzt wenig später in einer Gesprächsrunde vor den CDU-Delegierten: Franziska Wessel, die Berliner Koordinatorin der Proteste. Und als die zu verstehen gibt, dass sie seit neun Monaten freitags blau macht, da möchte man eigentlich direkt von Wegner wissen, ob er das dann immer noch okay findet, was aber schwierig ist bei laufendem Parteitag. Immerhin ist die CDU bereit dafür, sich auf offener Bühne kritisieren zu lassen, wie es selten bei einen Parteitag passiert. Bewegt habe sich in den vergangenen Monaten gar nichts, sagt Wessel, man solle beim Klimaschutz nicht viel reden, sondern machen.

Beim Thema Nachhaltigkeit an Glaubwürdigkeit verloren

Das wiederum hat Wegner in seiner Eingangsrede selbst gefordert: auch, um sich von den Grünen abzugrenzen, die viel von den Dingen in dem CDU-Öko-Leitantrag – mehr grüne Dächer und Fassaden, mehr Bäume, Pfandsystem für Einwegbecher – schon länger fordern. Das bestreitet Wegner auch gar nicht, aber er sieht keine praktischen Folgen, obwohl die Grünen im Senat seit drei Jahren mitregieren würden. Dass die CDU jetzt einigermaßen überraschend den Umweltschutz so nach vorne stellt, ist für Wegner logisch: „Nachhaltigkeit ist nämlich ein urkonservatives Thema.“ Immerhin räumt er ein: „Wir als Union haben beim Thema Nachhaltigkeit in der Vergangenheit Glaubwürdigkeit verloren.“ Mit dem Antrag laufe die CDU trotzdem nicht den Grünen hinterher, sondern bleibe schwarz, denn Berlin brauche zwar mehr Grün, „aber nicht mehr Grüne“.

Vor allem nicht, weil sie aus Wegners Sicht Klimapolitik aufkosten derer mit weniger Geld in der Tasche machen: Der Senat setze auf Verstaatlichung, auf Verbote und drehe an der Kostenschraube, und die Grünen würden sich dabei besonders hervortun. Der CDU-Chef gibt dabei schier den linken Klassenkämpfer: „Wir hingegen wissen, dass Nachhaltigkeit nicht mit kaltem Herzen zu erreichen ist und die Erderwärmung nicht mit sozialer Kälte zu stoppen ist.“

Der „Tempelhofer Wald“ auf der Stellwand soll in den Öko-Plänen aber nicht automatisch kommen, falls die CDU demnächst in Berlin mitregieren würde, was auch nach der jüngsten Umfrage unwahrscheinlich ist: Randbebauung, die behutsam ausfallen soll, aber auf der Fotomontage anders wirkt, und Wald setzen aus CDU-Sicht eine Volksbefragung voraus, die das Bebauungsverbot seit dem Volksentscheid von 2014 aufhebt. „Erst fragen, dann pflanzen“, steht dazu im Öko-Antrag. Was nicht drinsteht: So eine Volksbefragung ist in Berlin derzeit anders als ein Volksbegehren gar nicht möglich.

13 Nov 2019

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Stefan Alberti

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