taz.de -- Oxfam-Studie zum Klimawandel: Arme zahlen am meisten
Laut Oxfam zwingt der Klimawandel jedes Jahr 20 Millionen Menschen zur Flucht. Entwicklungsländer und NGO fordern einen Klimafonds.
Berlin taz Mit neuen Daten zu Klimaflüchtlingen setzt zu Beginn der [1][25. UN-Klimakonferenz] die Hilfsorganisation Oxfam die Regierungen unter Druck: „Klimabedingte Katastrophen waren in den vergangenen zehn Jahren die Hauptursache für Binnenflüchtlinge. Sie zwangen jedes Jahr 20 Millionen Menschen, ihre Heimat zu verlassen – das ist eine Person alle zwei Sekunden“, erklärt Oxfam zur Vorstellung eines neuen Berichts am Montag.
Der [2][Report „Forced from Home“], der am ersten Tag der Klimakonferenz in Madrid veröffentlicht wird, bezieht sich auf Daten des renommierten Internal Displacement Monitoring Centre in Genf, das seit 1998 Daten zu Flüchtlingen sammelt, die innerhalb ihrer Heimatstaaten Zuflucht suchen. Nach diesen Unterlagen ist es heute siebenmal wahrscheinlicher, wegen Wirbelstürmen, Überflutungen und Waldbränden seine Heimat zu verlieren als durch Erdbeben und Vulkanausbrüche. Eine Flucht vor Wetterextremen ist demnach auch noch dreimal wahrscheinlicher als vor einem Konflikt.
[3][Betroffen sind demnach besonders arme Bevölkerungen], vor allem Frauen, in armen Staaten. Sie lebten in schlechten Häusern auf unsicheren Böden und ohne rechtliche oder finanzielle Absicherung und müssten zu Millionen bei Unwettern ihre Heimat verlassen, hieß es. Am stärksten gefährdet sind arme Inselstaaten wie Kuba, Dominica und Tuvalu. Dort sei es 150-mal wahrscheinlicher, wegen Klimaschäden seine Heimat zu verlieren als in Europa.
Aus diesem Grund hätten im Durchschnitt jedes Jahr zwischen 2008 und 2018 fast 5 Prozent der Bevölkerung vor Unwettern das Weite gesucht. Zum Vergleich: Das wäre so, als würden in Deutschland jedes Jahr 4 Millionen Menschen wegen Umweltextremen umziehen. Ausgerechnet die Staaten, die oft kaum zum Klimawandel beitragen, müssen die Kosten für solche Schäden allein tragen.
Industrieländer sollen zahlen
An diesem Punkt drängen die Entwicklungsländer und viele Umwelt- und Entwicklungsgruppen bei der Konferenz in Madrid auf Fortschritte. Sie fordern einen ständigen Fonds, mit dessen Mitteln „Verluste und Schäden“ ausgeglichen werden sollen. Die Zeit dafür ist relativ günstig: Auf dem Programm der Konferenz in Madrid steht eine Zwischenbilanz des [4][Warschau-Mechanismus (WIM)], der diese Probleme ansprechen soll. Bislang gibt es bei den Klimaverhandlungen nur Finanzzusagen an die armen Länder für Emissionsreduzierungen und Anpassungen an den Klimawandel.
Ab dem Jahr 2020 sollen die Industrieländer dafür jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen. Von einem systematischen Ausgleich für „Verluste und Schäden“ ist bisher nirgendwo die Rede. Den wollen die Entwicklungsländer in Madrid erreichen. Umweltgruppen schätzen, dass zum Ausgleich dieser Schäden eine jährliche Summe von zusätzlichen 50 Milliarden Dollar notwendig wäre. Das Geld soll nach ihren Vorstellungen durch eine neue Steuer auf die Förderung fossiler Brennstoffe und als Schuldenerlass bei einer Katastrophe zusammenkommen.
Die Ärmsten zahlen den höchsten Preis
Der Bericht „Forced from Home“ bringt Beispiele aus Ländern wie Pakistan, Simbabwe oder dem Inselstaat Fidschi, wie der Klimawandel bereits jetzt die Länder ökonomisch und finanziell belastet. Nach neuen Daten überschritten die Schäden in der Dekade der 2010er Jahre zum ersten Mal die Schwelle von 1 Billion Dollar. Im Schnitt raubten sie den Ländern damit etwa 2 Prozent des Nationaleinkommens, heißt es, für arme Inselstaaten seien es „erstaunliche 20 Prozent“.
Chema Vera, Direktor von Oxfam, sagte zu dem neuen Bericht: „Unsere Regierungen tragen zu einer Krise bei, die Millionen von Frauen, Männern und Kindern aus ihren Häusern vertreibt, und die ärmsten Menschen in den ärmsten Ländern zahlen den höchsten Preis.“
2 Dec 2019
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