taz.de -- Söders Ängste vor den Grünen: Es gibt kein A- und B-Deutschland
Bayerns Ministerpräsident sieht die AfD nicht mehr als Hauptkonkurrentin der Union. Das ist machtstrategisch nachvollziehbar, aber unrealistisch.
Wer hat’s gesagt? „Wer nur jammert, bekommt auf Dauer keinen Besuch.“ Auflösung: Markus Söder. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident unternimmt nach der vergeigten Thüringer Landtagswahl in einem Interview mit der Welt am Sonntag den Versuch, der Unionsfamilie wieder zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen.
Gesagt hat er dort ebenfalls, der „Hauptkonkurrent“ von CDU und CSU sollten sinnvollerweise künftig die Grünen sein. Und dass es im Grunde nicht so relevant sei, wenn in Sachsen, Brandenburg und Thüringen die in weiten Teilen rechtsextreme AfD immer mehr Stimmen gewinnt. Man könne im Osten zwar Wahlen verlieren, „aber gewinnen muss man sie im Westen“.
Söder, dessen CSU vor Jahresfrist noch versucht hat, die Regierungschefin zu demontieren, ist jetzt also zuständig für gute Stimmung in der Koalition. Und nicht nur das. Er findet auch, dass sich die Union weniger mit den Rechten befassen und stattdessen den Grünen die Stellung als ökologische Gerechtigkeitspartei streitig machen sollte.
Machtstrategisch ist es nachvollziehbar, den Gegner zu ignorieren und politisch solide zu arbeiten. Aber leider verschwimmt in Thüringen aktuell die Trennlinie zwischen CDU und AfD, also zwischen Bürgerlich-Konservativen und extremistischen Rechten. Und dieser Vorgang, der die CDU für DemokratInnen unwählbar machen würde, betrifft die ganze Partei, auch deren Schwesterpartei CSU.
Söder ist jetzt also zuständig für gute Stimmung
Und dann ist da noch Söders Ost-West-Argumentation. Er warnt davor, die Ergebnisse in den sogenannten neuen Bundesländern „auf das ganze Land hochzurechnen“. So zu tun, als sei die Sache da hinten im Osten irgendwie blöd gelaufen, aber nun ja, jetzt schauen die relevanten Länder mal, dass es bei ihnen weiter schön ruhig bleibt, mag irgendwie tröstlich sein.
Realistisch ist es nicht. 30 Jahre nach dem Mauerfall zu argumentieren, als gebe es ein A- und ein B-Deutschland, ist einem Ministerpräsidenten unangemessen. Es sei denn, er meint, er könne die Realität nach eigenem Gutdünken neu interpretieren.
3 Nov 2019
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