taz.de -- Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke: U-Ausschuss in Hessen?
SPD und Linke in Hessen kritisieren die Art der Aufklärung zum Mord an CDU-Politiker Lübcke. Und sie bringen einen Untersuchungsausschuss ins Spiel.
BERLIN/WIESBADEN taz | Die Opposition in Hessen kritisiert die Aufklärung im Mordfall Lübcke scharf – und bringt einen Untersuchungsausschuss ins Spiel. Das Parlament erhalte Informationen zum Fall nur scheibchenweise, sagte SPD-Fraktionschefin Nancy Faeser am Montag der taz. Auch werde immer fragwürdiger, warum der Tatverdächtige 2009 vom Radar der Sicherheitsbehörden verschwand. „Wenn es weiter keine Transparenz gibt, dann läuft es auf einen Untersuchungsausschuss hinaus.“
Zuletzt musste der hessische Verfassungsschutz nach einer Klage der Welt einräumen, dass in einer NSU-Akte der Name des mutmaßlichen Mörders von Walter Lübcke, Stephan Ernst, elf Mal auftaucht. Der CDU-Politiker und Regierungspräsident von Kassel wurde am 1. Juni erschossen. Durch einen Beschluss des Bundesgerichtshof wurde auch bekannt, dass Ernst [1][noch in jüngerer Zeit mit einem Mitbeschuldigten rechte Demonstrationen besucht und Schießübungen abgehalten] haben soll. Dazu prüft die Bundesanwaltschaft, ob Ernst [2][auch für einen Messerangriff auf einen Iraker 2016 verantwortlich ist].
Auch die Linke in Hessen kritisiert, dass das Parlament von all dem bisher nichts direkt erfahren habe. Die Informationspolitik des Innenministeriums sei „ein riesiges Problem“, sagte Linken-Fraktionschefin Janine Wissler der taz. Es bleibe die Frage, wie ein als gefährlich eingestufter Neonazi plötzlich für keine Behörde mehr eine Rolle spiele. „Wenn es keine Bereitschaft gibt, das Parlament darüber zu informieren, bleibt nur ein Untersuchungsausschuss“, betont Wissler.
Die Linke fordert „maximale Transparenz“
Auch der Linken-Innenexperte Hermann Schaus hält einen solchen Ausschuss für „unumgänglich“, sollte die Landesregierung nicht endlich maßgebliche Dokumente zu dem Fall öffentlich machen. So sei etwa zu klären, warum und wann die Personenakte von Ernst im hessischen Verfassungsschutz gelöscht wurde. „Hier liegt entweder ein massives Versagen der Sicherheitsbehörden vor oder aber der Verfassungsschutz hielt seine schützende Hand lange über Stephan Ernst“, so Schaus. „Maximale Transparenz ist das Gebot der Stunde.“
Die mitregierenden Grünen dagegen bremsen. Es gelte die Regeln des Rechtsstaats einzuhalten, sagte Parlamentsgeschäftsführer Jürgen Frömmrich. „Jetzt ist die Zeit der Ermittler, des Generalbundesanwalts und der Gerichte. Nach Vorlage der Ermittlungsergebnisse, Akteneinsicht und Urteilsverkündung kam man sich mit weiteren Maßnahmen beschäftigen.“
Die CDU lehnt einen Untersuchungsausschuss komplett ab. „Ich warne davor die Ermittlungen durch einen Untersuchungsausschuss zu gefährden“, sagte deren Parlamentsgeschäftsführer Holger Bellino.“ Auch sei der Innenausschuss sehr wohl über den Fall unterrichtet worden, ebenso die Obleute. Auch dass Stephan Ernst elf Mal in dem Bericht des Verfassungsschutz auftauche, sei „nicht überraschend“, so Bellino. Der Mann sei schließlich in Hessen als Rechtsextremist eingestuft gewesen und der Bericht umfangreich. Auch sei das Schriftwerk für den einstigen NSU-Ausschuss einsehbar gewesen, für Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums sei er es bis heute. „Ich halte den von Teilen der Opposition suggerierten Skandal für keinen redlichen Umgang mit den vorliegenden Tatsachen und für verantwortungslos.
Derzeit ermittelt die Bundesanwaltschaft noch im Mordfall Lübcke. Eine Anklage wird bis zum Jahresende erwartet. Auch der Innenausschuss des Bundestags und der des hessischen Landesparlaments werden sich demnächst nochmal mit dem Fall beschäftigen.
23 Sep 2019
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