taz.de -- Frauendiskriminierung in der IG Metall: Es ist wieder ein Mann

Die Vizechefin der Gewerkschaft bleibt die Nummer zwei. Die Angst vor weiblicher Kompetenz und Erfahrung ist im Testosteronladen ungebrochen.
Bild: Bleibt die Nummer zwei: Christiane Benner

Die Neuen sind die Alten: Jörg Hofmann wurde [1][am Dienstag als IG-Metall-Chef wiedergewählt]. Seine Stellvertreterin wurde erneut Christiane Benner. Erwartbar, könnte man sagen: Warum sollen die beiden, die in dieser Konstellation in den vergangenen vier Jahren zusammengearbeitet haben, nicht genauso weitermachen?

Dagegen spricht zum einen der interne Unmut, der sich in der Vergangenheit gegen Hofmann aufgebaut hat. Der spiegelt sich im Wahlergebnis wider: Hofmann bekam 71 Prozent der Stimmen, vor vier Jahren waren es über 91 Prozent. Und dagegen spricht, dass Benner, die erste Frau an der (Fast-)Spitze in diesem Testosteronladen – 80 Prozent der Mitglieder sind Männer – wieder nur Vize ist. Denn würde die Gewerkschaft ihrer eigenen Logik folgen, nach der die Zweiten Vorsitzenden den Chef ablösen, wäre Benner jetzt ganz oben. Wenn der Mann nicht wieder kandidiert hätte – mit 63, ein Alter, das Gewerkschaften gern als Renteneintrittsalter formulieren.

Natürlich haben sich Hofmanns männliche Unterstützer argumentativ gut ausgerüstet: Benner habe (noch) nicht das Zeug zur Chefin, sie sei auch keine echte Metallerin. Ein Totschlagargument, das Frauen an der Spitze und jene, die nach oben wollen, zur Genüge kennen: Ihnen wird von vornherein Kompetenz abgesprochen. Dabei hat Benner in jedem Fall das Zeug zur Gewerkschaftsvorsitzenden. Und sie kennt sich aus mit der Digitalisierung und beherrscht exzellent interne und externe Kommunikation.

In die Frauenabwertung der Metaller mischt sich noch etwas anderes: Altersdiskriminierung. Eine 51-jährige Frau, die misogyne Angriffe aus den eigenen Reihen humorvoll kontert und genau weiß, was sie will und was sie tut, stellt die hegemoniale Männlichkeit der Gewerkschafter knallhart infrage. So wie das junge Frauen, die noch dahin kommen wollen, wo Benner jetzt ist, berechtigterweise nie tun würden. Benner ist nicht die erste Frau, die Männer ausbremsen. Die Angst vor weiblicher Kompetenz und Erfahrung in diesem Alter ist dann doch zu groß.

8 Oct 2019

LINKS

[1] https://www.handelsblatt.com/dpa/wirtschaft-handel-und-finanzen-roundup-denkzettel-fuer-ig-metall-chef-hofmann-zeigt-graeben-in-gewerkschaft/25096072.html?ticket=ST-27156776-7YyqJH9cNRwnbfGbfSA5-ap3

AUTOREN

Simone Schmollack

TAGS

IG Metall
Geschlechterdiskriminierung
Diskriminierung
Parität
Gewerkschaft
Schwerpunkt Fridays For Future
Genitalverstümmelung
IG Metall
IG Metall
IG Metall
IG Metall

ARTIKEL ZUM THEMA

Vorstandswahl IG Metall: „Unser Jahr hat 365 Frauentage“

Mit der 55-jährigen Christiane Benner wählte die Gewerkschaft IG Metall erstmals eine Frau an ihre Spitze. Selbstverständlich war das nicht.

Vorstand der IG Metall: Ladies first

Christiane Benner wäre als zweite Vorsitzende an der Reihe, im Herbst Chefin der IG Metall zu werden. Ob die Männer das zulassen, bleibt indes fraglich.

IG-Metall-Vorstand zu Industrie-Zukunft: „Zwei Seelen in unserer Brust“

Hans-Jürgen Urban Urban ist gerade im Amt bestätigt worden. Im Interview spricht er über Fridays for Future und Angst vor dem Jobverlust.

Weibliche Genitalverstümmelung: Klitoris ab, Schamlippen zugenäht

In Deutschland leben mehr als 70.000 genitalverstümmelte Mädchen und Frauen. Und die Zahl steigt, so eine Studie der Organisation Terre des Femmes.

Gewerkschaftstag der IG Metall: Spagat mit neuem alten Vorstand

Gewerkschaftsboss Jörg Hofmann kassierte bei seiner Wiederwahl am Dienstag eine schwere Klatsche. „Das hat mich getroffen“, sagt er jetzt.

Gewerkschaftstag der IG Metall: Hundekrawattenträger unerwünscht

Mit deutlichen Worten bezieht Deutschlands größte Gewerkschaft Stellung gegen rechts. IG Metall-Chef Hofmann: „Wer hetzt, der fliegt.“

Gewerkschaftstag der IG Metall: Transformation und Absicherung

Und plötzlich tut sich doch etwas in der Klimapolitik. Die IG Metall will Millionen Beschäftigte in eine CO2-neutrale Zukunft mitnehmen.

IG-Metall-Vize zur Arbeit im Netz: Mindestlohn auch im Digitalen

Christiane Benner will Mindeststandards bei der Bezahlung von Crowdworker*innen. Sie sollen in die gesetzliche Rente aufgenommen werden.