taz.de -- Mietendeckelrechner: Miete senken leicht gemacht

Der Mietendeckel enthält in seinem aktuellen Entwurf die Möglichkeit von Mietsenkungen. Doch wer wird seine Miete wirklich senken können?
Bild: Was kann man sparen?

Berlin taz | Ab Januar können MieterInnen ihre überteuerten Mieten absenken. Das zumindest verspricht der [1][Gesetzentwurf des Senats zum Mietendeckel]. Momentan mehren sich zwar die Stimmen aus der SPD auf diesen radikalen Eingriff in bestehende Mietverhältnisse gänzlich zu verzichten. So sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller vergangene Woche bei Markus Lanz, eine Absenkung der Miete werde es nicht geben.

Und Julian Zado, stellvertretender SPD-Landesvorsitzender und einer der Ideengeber eines Deckels merkte an, die Absenkung gehe über die ursprüngliche Intention hinaus; Schwerpunkt der SPD sei es, den Mietendeckel rechtssicher zu gestalten, also im Zweifelsfalls ohne die Möglichkeit der Mietabsenkung.

Gegen die sozialdemokratische Mutlosigkeit und Bedenkenträgerei steht indes zweierlei: Erstens ein gültiger Senatsbeschluss, der die Absenkungsoption beinhaltet. Zweitens die daraus resultierende Erwartungshaltung der MieterInnen. Diese dürfte nun sogar noch gesteigert werden, durch ein Tool, das der Mietenaktivist Tilman Miraß am Montag veröffentlicht hat: der [2][Mietendeckelrechner]. Auf der gleichnamigen Website braucht es nur wenige Klicks, um zu erfahren, ob man seine Miete reduzieren darf – sofern es bei dem Gesetzesentwurf bleibt.

Anhand der Informationen über Baujahr des Hauses, aktueller Miete, Nebenkosten, Größe und Ausstattung der Wohnung sowie dem Haushaltseinkommen, zeigt der Rechner an, ob und um wie viel die eigene Miete abgesenkt werden kann.

Viele Lücken

Ein Beispiel: Ein Zwei-Personen-Haushalt mit einem gemeinsamen Nettoeinkommen von 2.000 Euro, könnte die 800-Euro-Miete in der sanierten 65-Quadratmeter-Altbauwohnung um ganze 189,75 Euro absenken. So gut sich das anhört: Die meisten MieterInnen werden wohl folgendes Ergebnis erhalten: „Leider hast du voraussichtlich keinen Anspruch auf Mietabsenkung.“

Drei Bedingungen müssen erfüllt sein: Die Miete muss über den definierten nach Baujahr variierenden Oberwerten liegen; die Wohnungsgröße muss angemessen sein und das für die Miete aufgewendete Nettohaushaltseinkommen 30 Prozent übersteigen. Vermutlich deutlich weniger als zehn Prozent der MieterInnen erfülle all das, geht aus einer Untersuchung des Soziologen Sigmar Gude für die Initiative Mietenvolksentscheid hervor.

„Wir wollen mit dem Rechner zeigen, wie löchrig der diskutierte Entwurf des Mietendeckels ist“, sagt Miraß. Eine Verschärfung ist für ihn und viele organisierte MieterInnen noch nicht vom Tisch. Am 3. Oktober wollen sie für einen „richtigen Deckel“ auf die Straßen gehen.

Kurz darauf wird eine Untersuchung von Miraß die Notwendigkeit eines radikales Markteingriffs noch einmal deutlich zeigen. Das Projekt Mietenwatch, das ab 8. Oktober veröffentlicht wird, ist die bislang wohl umfassendsten Untersuchung der Wiedervermietungspreise in der Stadt. Die taz und die Berliner Zeitung werden exklusiv darüber berichten.

23 Sep 2019

LINKS

[1] /Mietendeckel-in-Berlin/!5619418/
[2] https://mietendeckelrechner.de/

AUTOREN

Erik Peter

TAGS

Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Mietendeckel
Mietenprotest
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Mietendeckel
Mietendeckel
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Katrin Lompscher
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Mietenwatch Gentrifizierungskiez: Wenn der Wedding wirklich kommt

Trotz Armut liegen die Angebotsmieten in Humboldthain Nordwest bei über 20 Euro. Der Verdrängungsdruck auf die Mieter ist enorm.

Mietenwatch-Studie: Berlin, Stadt der Reichen

Mietenwatch hat fast 80.000 Wohnungsangebote ausgewertet. Vor allem in den Innenstadtbezirken sind die Mieten für die Mehrheit nicht mehr leistbar.

Kampagne gegen Mietendeckel: Immobilienlobby macht mobil

Wie vertrauliche Unterlagen zeigen, plant die Immobilienbranche eine Großkampagne gegen den Mietendeckel.

Mietendeckel in Berlin: Zu früh, um sich zurückzulehnen

Der Mietendeckel ist noch nicht beschlossen. Wenn es ganz schlecht läuft, könnten Mieter:innen hinterher schlechter dastehen als vorher.

Mietendeckel und Enteignung: Berlin brennt, Hamburg pennt

Die Hauptstadt debattiert über den Eingriff in Eigentumsrechte auf dem Wohnungsmarkt. In Hamburg ist Ruhe die erste Politikerpflicht.

Mietenpolitik als Klassenkampf: „Die Angst, ausziehen zu müssen“

Mietenwahnsinn: HAU- Theaterfestival „Berlin bleibt!“. Wir sprachen mit Christiane Rösinger, die dort die Mietenfrage behandelt – als Musical.

Mietendeckel in Berlin: Keine Ruhe um den Mietendeckel

Zwar hat sich der Senat Ende August auf einen Entwurf geeinigt. Der Mietendeckel bleibt aber als Ganzes und in seinen Details umkämpft.

Deckelung der Mieten in Berlin: Die SPD will nicht kämpfen

Der Mietendeckel der Berliner Linkspartei ist ein wirksames Instrument. Er gibt der Allgemeinheit wieder die Macht über die Mietpreise zurück.

Enteignung von Wohnungskonzernen: Es darf enteignet werden

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes fällt eindeutig aus: Die Forderung von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ ist zulässig.

Mietendeckel in Berlin: Ist der Deckel dicht genug?

Der Gesetzesentwurf zum Mietendeckel steht. Was bleibt übrig vom ursprünglichen Vorhaben? Und bringt dieser Mietendeckel jetzt überhaupt etwas?