taz.de -- Kommunalwahlen in Russland: Gefährlicher Minimalkonsens
In Russland hat bei den Kommunalwahlen keiner so recht gewonnen. Die Opposition ist gefährlich diffus. Putins Regierungspartei hat alles im Griff.
Wirklich gewonnen hat niemand die [1][Kommunalwahlen in Russland] am Sonntag. Die Opposition, die nach den [2][zahlreichen Protesten] gehofft hatte, eine höhere Wahlbeteiligung würde ihr zugutekommen, wurde enttäuscht. In Moskau war nur jedeR Fünfte beim Wählen. Zwar konnten sich einige Unabhängige durchsetzen, in Moskau ist die sozialliberale Jabloko–Partei gar erstmals mit einer eigenen Fraktion von vier Deputierten im Stadtrat vertreten.
Gleichzeitig wurden bekannte Vertreter von Einiges Russland wider Erwarten abgewählt. Doch insgesamt ist die Opposition enttäuscht, dass es ihr trotz der zahlreichen Proteste der vergangenen Wochen nicht gelungen ist, ihre Anhänger zur Stimmabgabe zu motivieren.
Die Putin-Partei Einiges Russland hat die Lage im Griff. Alle Gouverneure von Einiges Russland, die sich zur Wiederwahl gestellt hatten, wurden auch gewählt. Einiges Russland hat sich somit eine Peinlichkeit von 2018 erspart, als drei Putin-treue Kandidaten bei den Gouverneurswahlen durchgefallen sind.
Die niedrige Wahlbeteiligung sowie glaubwürdige Berichte über Unregelmäßigkeiten beim Stimmenzählen und die Nichtzulassung Dutzender von Oppositionskandidaten nehmen der Wahl weitgehend ihre Legitimation. In Russland wächst die Unzufriedenheit mit den Machthabern. Doch diese Unzufriedenheit schlägt bei den Wahlen nicht durch.
Gleichzeitig sollte man hinter der Bewegung des Oppositionspolitikers [3][Alexei Nawalny] nicht konstruktive Inhalte vermuten. Nawalny geht es nur darum, Putin zu bekämpfen. Seine Idee, mit dem „klugen Wählen“, einem Verfahren, den aussichtsreichsten Oppositionskandidaten zu empfehlen, mag zwar teilweise funktioniert haben. Doch wenn bei einer Wahlempfehlung völlig unwichtig ist, ob die zu empfehlende Person ein Nationalist ist oder ob sie die Zeit unter Stalin über den grünen Klee lobt, dann kann man von so einer Opposition nicht erwarten, die aktuellen Herausforderungen konstruktiv anzugehen.
9 Sep 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Bei den Regional- und Kommunalwahlen muss die Partei „Einiges Russland“ Federn lassen. Die Opposition erzielt einen Achtungserfolg.
Die Putin-nahe Partei Einiges Russland sichert sich bei den Regionalwahlen Mehrheiten. Wahlbeobachter sprechen von Behinderungen.
In Moskau laufen die Kommunalwahlen, dazu Regionalwahlen. Für Putin könnten sie gefährlich werden.
Ljubow Sobol ist zum Gesicht der russischen Opposition avanciert. Weil sie nicht in Haft ist wie ihre Mitstreiter aus der Opposition.