taz.de -- Grausamer Unfall im SUV-Boom: Innehalten und aufschreien

SUVs werben mit Sicherheit. Doch die gilt nur für ihre Insassen – nicht für Passanten. Die haben keinen Airbag, keinen Überrollbügel, keinen Gurt.
Bild: Es ist an der Zeit, nicht nur zu trauern, sondern auch stehen zu bleiben und zu überlegen

Innehalten. Ja, man muss innehalten. Einen Moment ruhig werden, Trauer zulassen, wenn an der Kreuzung, an der man jeden Tag vorbeifährt, [1][vier Passanten an einer Fußgängerampel getötet] wurden von einem ungebremst rasenden Auto.

Und dann? Soll man, kann man dann in stiller Trauer nach Hause gehen? Oder ist es nicht gerade jetzt Zeit für einen Aufschrei?

Die [2][perverse Logik des SUV-Booms] liegt auf der Hand. Denn solche superstabilen Megacars bieten deutlich mehr Sicherheit als herkömmliche Pkws – für die Insassen. Das zeigen Studien. Und auch der grausame Unfall in Berlin. Die drei Menschen in dem Wrack des Porsche SUV erlitten leichte bis mittelschwere Verletzungen.

Aber auf dem Bürgersteig gab es keine Verletzten. Nur Tote. Passanten haben keinen Sicherheitsgurt, keinen Airbag, keinen Überrollbügel. Sie haben nur das Vertrauen, dass sie [3][auf dem Bürgersteig sicher] sind. Sein sollten.

Sind sie aber nicht, weil sich die SUV-Fahrer breitmachen. Sie verbrauchen nicht nur überdurchschnittlich viel Platz in den eh schon engen Städten, sie produzieren nicht nur überdurchschnittlich viel CO2 im eh schon aufgeheizten Weltklima, sie verändern auch die Sicherheitsbalance. SUV sind der stahlgewordene Ausdruck einer Ego-Gesellschaft. Anders ist nicht zu erklären, wieso ihre Verkaufszahlen trotz des schlechten Images steil nach oben gehen. Erst ich, dann alle anderen.

Ist das hier also ein Plädoyer für radikale Maßnahmen gegen SUV? Ja. Für ein Verbot ihrer Nutzung in Innenstädten? Ja, klar. Oder wenigstens für eine höhere Besteuerung? Ja, auch. Für den kompletten Umbau der Innenstädte auf eine Infrastruktur mit weniger oder gar keinen Autos? Sowieso.

Aber weil das alles eh nicht so schnell kommen wird, ist dies vor allem ein Plädoyer an alle Autofahrer, einmal innezuhalten. Nachzudenken. Und sich die Frage zu stellen, wie sie weiterleben wollten, wenn sie mit ihrem Fahrzeug so einen Horrorcrash verursacht hätten. Das kann Ihnen nicht passieren? Ja, das hat der Porsche-Fahrer von Berlin sicher auch gedacht.

9 Sep 2019

LINKS

[1] /SUV-Unfall-in-Berlin-Mitte/!5620953
[2] /Nach-schwerem-Unfall-in-Berlin/!5621031
[3] /Staedtevergleich-zur-Fussgaengersicherheit/!5033608

AUTOREN

Gereon Asmuth

TAGS

Autoverkehr
Verkehr
Fußgänger
Sicherheit
SUV
SUV
SUV
IAA
DUH
SUV
Autoverkehr

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue Erkenntnisse zum SUV-Unfall: Der Fall ist noch nicht aufgeklärt

Der schreckliche SUV-Unfall mit vier Todesopfern soll auf einen Krampfanfall zurückzuführen sein. Doch bleiben viele Fragen offen.

Unfallforscher über SUV-Unfall in Berlin: „Ein ganz bedauerlicher Einzelfall“

Tempo 30 an Orten mit verstärktem Fußgängeraufkommen und automatische Notbremssysteme könnten viele Unfälle verhindern, sagt Forscher Heiko Johannsen.

SUV-Boom in Deutschland: Schnell und schwer

Kein Fahrzeugsegment wächst so rasch wie das der SUVs. Das könnte teuer werden – auch für die deutsche Autobranche.

Schwerer SUV-Unfall in Berlin: Verdacht auf fahrlässige Tötung

Bei einem Zusammenstoß mit einem SUV sind in Berlin vier Menschen gestorben. Die Polizei ermittelt nun wegen fahrlässiger Tötung.

Nach schwerem Unfall in Berlin: SUV-Verbot gefordert

Entsetzen und Trauer – nach dem schweren Verkehrsunfall mit vier Toten in Berlin-Mitte ist nun eine Debatte über SUVs in Innenstädten entbrannt.

SUV-Unfall in Berlin-Mitte: 500 Menschen trauern um die Toten

Bei einem Unfall mit einem SUV in Berlin kommen vier Fußgänger ums Leben. Eine Debatte um die Sicherheit der Fahrzeuge entbrennt.