taz.de -- Komödie „Late Night“ im Kino: Der Witz des Abends

Das Gagfeuerwerk wird auf einem umgedrehten Mülleimer abgebrannt: „Late Night“ ist eine Mediensatire über eine schlagfertige Anchorfrau.
Bild: Moderatorin Katherine Newbury mit Gast in ihrer Talkshow

Wäre die Welt eine bessere, wenn es unter den vielen männlichen Stimmen, die das angelsächsische „Late Night“-Geschehen mit ihren witzigen Kommentaren am Leben halten, auch eine prominente Frau von Format gäbe? Diese Frage beantwortet die Metakomödie „Late Night“ so augenblicklich wie glasklar – mit Nein.

Die fiktive Figur der [1][von Emma Thompson] gespielten Katherine Newbury, einer Britin mit fast 30-jähriger Karriere im US-amerikanischen TV-Business, ist zu Beginn an einem klassischen Karrieretiefpunkt angelangt, wie ihn vergleichbare männliche Helden mit Showgeschäftsberufen auch zu haben pflegen: schwindende Quoten und wachsende Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten.

Aber der Film hebt auch hervor, dass sie auch sonst alles wie ihre männlichen Kollegen macht: In ihrem Autorenteam schreiben ausschließlich Männer, als ihre Gäste werden mehrheitlich Männer gezeigt, und wie viele Männer mittleren Alters in ihrer Branche pflegt sie vom Standpunkt einer eingebildeten intellektuellen Überlegenheit ein Ressentiment gegenüber sozialen Medien und dergleichen.

Nichts weist daraufhin, dass diese Katherine Newbury irgendwann mal in ihrer illustren Laufbahn sich darum bemüht hätte, als Frau für Frauen einzutreten, im Gegenteil, es gilt als Branchengeheimnis, dass sie „keine Frauen mag“. Und paradoxerweise erscheint das alles auch noch wie das realistischste Element an dieser Late-Night-Figur – schließlich erweist sich in der öffentlichen Sphäre immer wieder, dass es dort, wo Meinung und Einfluss wirklich zählen, jene Frauen am weitesten bringen, die den „Frauen“-Aspekt eher meiden.

Dennoch: Vor dem Hintergrund einer Realität, in der nur echten Nerds neben Namen wie Johnny Carson, David Letterman, Stephen Colbert und meinetwegen Harald Schmidt auch der von Samantha Bee einfällt, ragt eine Katherine Newbury, dazu noch mit angedichteter jahrzehntelanger Karriere, als echtes Unikum heraus.

Nun wäre nichts dagegen zu sagen, dass eine Satire, die „Late Night“ ja auch sein will, eine unrealistische Annahme macht. Zur Kenntlichkeit entstellen, heißt es doch so schön. Trotzdem irritiert von Anfang an, dass der Film aus dem Solitär-Status von Thompsons Newbury nichts macht, gar nichts. Stattdessen konterkariert der Film – geschrieben übrigens von Mindy Kaling, die es als Ausnahmefrau im „Writer’s Room“ der US-amerikanischen Ausgabe von „The Office“ weit gebracht hat – die eine große Unwahrscheinlichkeit mit noch einer größeren: Als Newbury beschließt, ihr Karrieretief durch das Anheuern einer Frau fürs Autorenteam zu bekämpfen, greift sie auf eine Amateurkomödiantin und Fabrikangestellte zurück, auf die von Mandy Kaling selbst gespielte Molly Patel.

Die in ihrer Blödsinnigkeit verwirrenden Handlungsdetails, die zu dieser Entscheidung führen, hat man augenblicklich wieder vergessen. Da Kaling als Angestellte einer Chemiefabrik fast noch weniger glaubwürdig wirkt als die Figur einer mittelalten Frau mit 28-jähriger „Late Night“-Karriere, kann man als Zuschauerin an dieser Stelle die Suche nach Bezügen zur Wirklichkeit auch getrost aufgeben und sich der nun entfaltenden Story überlassen.

Die wiederum folgt ab dann den einigermaßen vertrauten Pfaden der „Workplace-Comedy“. Kaling als Molly crasht die ganz und gar nicht amüsierte Party der ausschließlich männlichen Autoren. Man bietet ihr zu Beginn noch nicht mal einen Stuhl an, aber Molly ist so enthusiasmiert, dass sie auch mit einem umgedrehten Mülleimer vorlieb nimmt.

Dass die Herren das bis dahin völlig unbenutzte Damenklo der Etage für allerlei eigene intime Bedürfnisse nutzen, gereicht Molly bald sogar zum Vorteil. Und zwischen der kalten Chefin Newbury und ihrer beherzten „Quotenfrau“ entwickelt sich über die üblichen Hindernisse hinweg eine Dynamik, die zwischen „Zickenkrieg“, „Girlfriends“ und „Odd Couple“ überraschende und zwischendurch sogar erhellende Züge annimmt.

Dankesrede bei den Golden Globes 1996

Die in Sitcom-Manier aufbereiteten Intrigen hinter den Kulissen einer TV-Late-Night-Show mit ein paar Ausschlägen gegen das böse, zynische Mediengeschäft – das alles ist hier einigermaßen amüsant in Form gebracht. Wenn auch Regisseurin Nisha Ganatra ihre große Serienerfahrung fast zu sehr spüren lässt mit einer so routiniert glatten Inszenierung, dass die gelegentlich raueren Gags auch noch mit untergehen.

Am meisten leidet „Late Night“ unter dem selbst gesetzten Anspruch, auf witzige Weise vom erfolgreichen Witzereißen zu erzählen. Das Material ist einfach nicht gut genug. Warum Katherine Newbury eine Late-Night-Legende sein soll mit „Standards“, die sie nicht verraten will – aus dem Film heraus lässt sich das ebenso wenig begreifen, wie dass sie durch die Einfälle von Molly Patel das Ruder herumreißen und „wieder relevant“ werden könnte.

An den Darstellern liegt es nicht: Mindy Kaling ist eine wunderbar schräge Komödiantin, die sich in kein Klischee pressen lässt. Und Emma Thompson tritt so souverän und mit so schlagendem Timing auf, dass man sich fragt, warum hat diese Frau eigentlich keine eigene Show, in der sie abendlich Boris Johnson piesackt, Nigel Farage nachäfft und spitzzüngig dem alles erdrückenden Ärger über Donald Trump Ausdruck verleiht? Emma Thompson, die ihr Publikum mit einem komödiantischen Monolog zum G7-Gipfel begrüßt und danach zum launigen Gespräch mit Brad Pitt und Meryl Streep überleitet – das wäre dann mal ein aufregendes Abendprogramm.

Man muss nur Thompsons Dankesrede bei den Golden Globes 1996 anschauen, die sie in Form eines Briefs von Jane Austen darbrachte, um zu wissen, dass sie auch einen Teil des Materials gut selber schreiben könnte. Je weiter man diese Vorstellung spinnt, desto mehr merkt man, dass all die essenzialistischen Überlegungen über die unterschiedlichen Humorbegabungen von Frauen und von Männern getrost so lange zu vergessen sind, bis Frauen auch im Spätabend-Humorbusiness mehr Gelegenheiten bekommen.

„Late Night“ gehört am Ende zu den Filmen, die sich lohnen, weil sie einen auf gute Ideen bringen.

28 Aug 2019

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AUTOREN

Barbara Schweizerhof

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