taz.de -- Polizeigewalt bei „Ende Gelände“: Aktivisten erheben schwere Vorwürfe

Drei Tage lang blockieren Umweltaktivisten Anlagen des Kohlekonzerns RWE. Nun wirft das Bündnis „Ende Gelände“ der Polizei unverhältnismäßige Gewalt vor.
Bild: Sieht noch friedlich aus: Polizisten stehen bei Umweltaktivisten auf Bahngleisen

Erkelenz dpa | Nach den [1][dreitägigen Klimaprotesten im rheinischen Braunkohlerevier] hat die Initiative „Ende Gelände“ schwere Vorwürfe gegen Einsatzkräfte der Polizei erhoben. Sie hätte unverhältnismäßig hart eingegriffen, teilte das Bündnis am Montag mit. Die Aachener Polizei will die Anschuldigungen nun prüfen. Bei den Einsätzen wurden auch aber Polizisten verletzt, und die Beamten warfen Demonstranten ebenfalls Gewalt vor. RWE als Betreiber des Tagebaus Garzweiler kündigte rechtliche Schritte gegen alle an, die sich an einer Besetzung des Tagebaus Garzweiler beteiligten.

Obwohl die Aktionen von [2][„Ende Gelände“] am Sonntag offiziell beendet waren, besetzten andere Aktivistinnen am frühen Montagmorgen einen Bagger im Tagebau Hambach. Die Aktion sei nicht von „Ende Gelände“ organisiert worden, sagte eine Sprecherin. Nach Angaben der Aachener Polizei holten Einsatzkräfte die sieben Aktivistinnen am Mittag von dem Bagger und nahmen sie in Gewahrsam.

Nach Angaben der Initiative „Ende Gelände“ waren von Freitag bis Sonntag rund 6.000 Menschen an den Blockaden des Tagebaus Garzweiler und von Bahnlinien zu zwei Braunkohlekraftwerken beteiligt. Am Freitag hatte die Bewegung Fridays for Future eine friedliche Demonstration mit laut eigenen Angaben 40.000 Teilnehmern in Aachen organisiert. Am Samstag waren bei einer weiteren Demonstration nach Angaben der Initiatoren 8.000 Menschen dabei. Die Aachener Polizei äußerte sich nicht zu Teilnehmerzahlen.

Von Freitag an waren die Beamten 48 Stunden lang im Einsatz. Hitzig wurde es vor allem, als mehrere hundert Aktivisten am Samstag die Abbaugrube Garzweiler stürmten. Als die Polizei eingriff, sollen die Einsatzkräfte nach Angaben von „Ende Gelände“ Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt haben. Kathrin Henneberger, Sprecherin der Initiative, kritisierte dieses Vorgehen am Montag als unverhältnismäßig. Mehrere Aktivisten hätten in Krankenhäusern behandelt werden müssen, sagte Henneberger.

Unter anderem war auf einem [3][bei Twitter kursierenden Video] zu sehen, wie ein Polizist einem Demonstranten ins Gesicht schlägt. Ein Sprecher der Aachener Polizei sagte am Montag, man nehme die Vorwürfe ernst und prüfe sie eingehend. Sollten sie sich erhärten, würde eine andere Polizeidienststelle die Ermittlungen übernehmen.

Auch Landwirte verärgert

Vorwürfe, Polizeibeamte hätten den [4][Demonstranten während der mehrstündigen Aktionen Wasser und Nahrung verwehrt], wies der Sprecher zurück. Bei der Gleisblockade habe die Polizei selbst die Aktivisten versorgt, in die Abbaugrube habe man zumindest Mitstreiter der Protestierenden mit Getränken durchgelassen.

Laut Polizei wurden indes mindestens ein Dutzend Beamte bei den Einsätzen am Wochenende verletzt. Derzeit ermittle die Polizei unter anderem wegen Hausfriedensbruchs, Gefangenenbefreiung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Wie viele Anzeigen RWE erstatten würde, konnte eine Konzernsprecherin am Montag noch nicht sagen. „Wir werden rechtliche Schritte gegen jeden einleiten, der unser Betriebsgelände unerlaubt betreten oder sich an Sabotageakten beteiligt hat“, sagte sie. Der finanzielle Schaden für RWE durch die dreitägigen Proteste werde noch ermittelt.

Doch nicht nur der Energiekonzern, auch ortsansässige Landwirte sind verärgert: Die Polizei bestätigte, dass sich bereits einige Bauern an sie gewandt hätten, weil ihre Felder wohl von Demonstranten zertrampelt worden seien. „Ende Gelände“ schrieb am Sonntag bei Twitter, dass man mögliche Ernteausfälle erstatten würde.

Nach dem Ende der Gleisblockade räumten acht „Ende-Gelände“-Aktivisten am Sonntagnachmittag zumindest dort den hinterlassenen Müll weg, wie die Sprecherin der Initiative sagte.

24 Jun 2019

LINKS

[1] /Klimaproteste-in-Deutschland/!5602222
[2] /Schwerpunkt-Ende-Gelaende/!t5221778
[3] https://twitter.com/Ende__Gelaende/status/1142702629711155200
[4] https://www.ende-gelaende.org/de/press-release/pressemitteilung-vom-23-6-um-1315-uhr/

TAGS

Polizei
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
RWE
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Kohle
Schwerpunkt Ende Gelände!
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Fridays For Future
Protest
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Ende Gelände!
Schwerpunkt Fridays For Future
Schulstreik
Schwerpunkt Ende Gelände!

ARTIKEL ZUM THEMA

Polizeigewalt in Deutschland: Tausende Übergriffe

„Das ist doch nur die Ausnahme“? Von wegen! Ein Medienbericht kommt auf mindestens 12.000 Fällen von Polizeigewalt im Jahr.

Fünf-Tage-Streik für das Klima in Köln: Hier sind sehr wohl Profis am Werk

Eine Woche lang will Fridays for Future in Köln jetzt fürs Klima streiken. Dass sie das in der unterrichtsarmen Zeit tun, ist ein Entgegenkommen.

Kommentar Ministerin über Ende Gelände: Populismus statt Politik

Bei Protesten gegen Braunkohle-Abbau sind Klimaschützer über zwei Felder gelaufen. Julia Klöckner hat sich nun empört darüber geäußert.

Polizeibilanz nach Ende Gelände: Kreislauf vs. Knochenbrüche

Bei Ende Gelände wurden laut Polizei 16 Beamte verletzt, vier konnten den Einsatz nicht fortsetzen. Fünf Aktivisten mussten ins Krankenhaus.

Protestbewegung gegen Braunkohle: Jetzt kommt die Abrechnung

Die Aktivisten von Ende Gelände werfen der Polizei unverhältnismäßige Gewalt vor. Gegner machen im Netz indes Stimmung mit einem gefakten Müll-Bild.

Kommentar Ende Gelände und FFF: Sie stellen die Systemfrage

Solange Dörfer vernichtet werden, damit Konzerne Profite maximieren, werden die jungen Menschen keine Ruhe geben.

Klimaproteste in Deutschland: So gut sortiert wie nie

Die größte Schülerbewegung der Geschichte Fridays for Future verändert auch die radikale Linke: Sie ist einfühlsam geworden.

Klimaprotest von Ende Gelände: Besetzung läuft noch immer

Rund 40 Stunden blockieren Klimaaktivist*innen bereits das Braunkohlekraftwerk. Sie berichtet von diversen Verletzungen durch Polizeigewalt.