taz.de -- Kommentar #MeToo im Fußball: Das Problem sind die Verbände
Im Fußball ist die MeToo-Debatte nicht richtig angekommen. Die Funktionärsebene hat keinen Anreiz zur Aufklärung.
Sogar bei sexuellem Missbrauch gibt es im Fußball eine Statusleiter: darüber gesprochen wird eigentlich nur, wenn die [1][mutmaßlichen Täter Ronaldo] oder Neymar heißen. Beide Superstars wurden von Frauen der Vergewaltigung bezichtigt, und beide bleiben dabei erschreckend unangreifbar. In Hollywood sind daran Karrieren zerschellt, aber nicht bei König Fußball.
Das muss niemanden überraschen in einer Branche, wo Frauen als Accessoire gelten wie anderswo Kroko-Taschen. Die [2][jüngsten, teils systematischen Missbrauchsfälle im Fußball], aus Afghanistan, Gabun oder Kolumbien, die übrigens auch Jungen als Opfer hatten, interessierten wenige. Dabei sind sie, wie Recherchen nahelegen, nur die Spitze eines riesigen Eisbergs.
Im Fußball ist die [3][MeToo]-Debatte bis heute nicht richtig angekommen. Er ist ein abgeschlossener Kosmos, wo man Kinder mit Karriereversprechen locken kann und Frauen in echten Machtpositionen fast nicht vorkommen. Als Spielerinnen sind sie oft extrem abhängig von der Gnade der (männlichen) Trainer und Verbandschefs, sie haben kaum Öffentlichkeit und kaum finanzielle Ressourcen, und all das begünstigt sexuellen Missbrauch. Viele wollen nicht mit Beschwerden auffallen.
Und: Sie sind auch Täterinnen. Aktivistinnen klagen, Frauen in den Gremien hätten die Macho-Kultur des Fußballs teils adaptiert und sich integriert. Die meisten Fußballerinnen sind keine Feministinnen. Dass nun Einzeltäter bestraft wurden, ist ein Anfang, ändert aber wenig an bestehenden Strukturen.
Fußball zeigt eindrücklich, welche Dynamiken sich bilden, wenn eine oft isolierte Männerbranche mit vermeintlichem Zusammenhalt verschmilzt. Trotzdem wird MeToo Einfluss nehmen. Zuletzt hat es eine sehr zaghafte feministische Welle im Fußball gegeben. Das Problem bleiben die Verbände: Sie kennen den verborgenen Teil des Eisbergs und können bei Aufklärung nur verlieren. Ihnen einen Anreiz zur Mithilfe zu geben, ohne sie zu pulverisieren, wird eine Herausforderung.
12 Jun 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die #MeToo-Debatte hat aufgeklärt, aber auch zu einem Backlash geführt, zeigt eine Studie. Das Misstrauen gegenüber Kolleginnen steige an.
Das Machoreich des Weltfußballs blieb viel zu lange verschont von der #MeToo-Debatte. Das gilt auch für den Frauenfußball.
Giulia Gwinn schoss ihre Mannschaft beim WM-Auftakt zum Sieg. Die Boulevardpresse kürt sie zum „DFB-Hottie“ und gerät zu Recht in einen Shitstorm.
Vor der Frauen-WM in Frankreich forderten Fußballerinnen Gewinnprämien in Höhe der Bezahlung für Männer. Ist das richtig?