taz.de -- Vermeintliche Fehler in Bremen: „Bamf-Skandal“ schrumpft weiter

Die Anzahl der vermeintlich fehlerhaften Asylbescheide der Bremer Außenstelle des Bamf ist weiter rückläufig. Die Ermittlungen gehen mit viel Aufwand weiter.
Bild: Stillgelegt: Die Bremer Außenstelle des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Bremen taz | Der angebliche Bremer Bamf-Skandal wird immer zwergenhafter. War zunächst von 1.200 „Asyl-Betrugsfällen“ in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Rede gewesen, schrumpfte die Zahl [1][im vergangenen August auf 165] und ist nun bei 50 angelangt, die zudem gerichtlich angefochten werden. „Bislang ist nicht eine Asylentscheidung rechtskräftig aufgehoben worden“, sagt Erich Joester, Anwalt der ehemaligen Bremer Behördenleiterin Ulrike B. der dpa.

Die Staatsanwaltschaft Bremen hält das allerdings nicht davon ab, weiter mit ordentlich Manpower nach Missständen im Bremer Flüchtlingsamt zu forschen. Die Ermittlungen sollten bis Sommer zum Abschluss kommen, sagt Behördensprecher Frank Passade. Dann werde entschieden, ob Anklage erhoben wird. Die Staatsanwaltschaft habe den Kreis der Beschuldigten Anfang 2019 um drei frühere Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Bremen erweitert.

Im Frühjahr 2018 war die Behörde massiv in die Kritik geraten, weil dort möglicherweise Asylanträge unrechtmäßig positiv entschieden worden seien. Behördenleiterin Ulrike B. musste gehen, das Bremer Amt vorübergehend die Arbeit einstellen. Der Skandal befeuerte den Streit zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Asylpolitik. Das wiederum hätte fast zum Scheitern der Bundesregierung geführt.

Bei seinen Prüfungen fand das Bamf in den Bremer Akten allerdings nur wenige unrechtmäßigerweise positiv beschiedene Asylbescheide. „Bisher wurden in Bremen rund 4.000 Akten geprüft“, sagt Bamf-Sprecher Stefan von Borstel. „Widerrufe und Rücknahmen ergingen bei rund 50 Akten.“ Insgesamt liege die Quote der widerrufenen Verfahren mit Bezug zu Bremen auf einem ähnlichen Niveau wie die Quote der insgesamt bundesweit widerrufenen Verfahren. Von bundesweit 85.052 Asylbescheiden wurden laut von Borstel 982 widerrufen. Die bundesweite Quote der Widerrufe liege damit bei rund 1,2 Prozent – und damit über der Bremer Quote von 0,9 Prozent.

Die Überprüfung von Asylverfahren in Bremen habe in einigen Fällen Hinweise auf eine bewusste Umgehung von damals geltenden Dienstanweisungen, Herkunftsländerleitsätzen, Gesetzen oder sonstigen Verfahrensrichtlinien des Asylverfahrens ergeben, sagt von Borstel.

„An den Haaren herbeigezogen“

Die Verfahrensmängel in anderen Fällen hatten offenbar mit Überforderung zu tun. Diese wurden als Verstoß gegen geltende Regeln eingestuft wie mangelnde Qualitätssicherung oder unterlassene Dokumentenprüfung. „Diese Fehler gehen auf die Zeit zurück, in der das Bundesamt angesichts der hohen Zugangszahlen vor einer immensen Herausforderung stand“, sagt Bamf-Sprecher von Borstel.

Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte die taz berichtet, dass es nur wenige grobe Verstöße bei der Bremer Außenstelle gab. Von 18.315 positiven Bescheiden, die das Bremer Amt seit dem Jahr 2000 erlassen habe, hätten Bamf-Prüfer in nur 165 Fällen ein „grobes Hinwegsetzen über Vorgaben“ festgestellt.

„Die Bremer Außenstelle ist bundesweit die am besten funktionierende Behörde“, sagt Henning Sonnenberg, der einen beschuldigten Hildesheimer Rechtsanwalt vertritt. Vierzehn von ihm erwirkte positive Asylbescheide seien aufgehoben worden, sagte dessen Anwalt Sonnenberg. Doch acht dieser Widerrufe seien vom Verwaltungsgericht Hannover bereits wieder kassiert worden. Bei drei Fällen in Minden erwarte er dies noch. Es gebe also keine Straftaten, sagt Sonnenberg.

Der Rechtsanwalt wirft der Bremer Staatsanwaltschaft vor, seinen Mandanten und der ehemaligen Leiterin der Bremer Bamf-Außenstelle etwas anhängen zu wollen. „Die Staatsanwaltschaft traut sich nicht zuzugeben, dass das Bamf sie mit falschen Informationen gefüttert hat“, sagt Sonnenberg. Für ihn ist es ein „Justizskandal“, dass die Bremer Staatsanwälte ihre aufwendigen Ermittlungen nicht einstellen.

Deren Sprecher Passade schweigt zu den meisten Vorwürfen. Er sagt lediglich, dass die Aufhebung eines positiven Asylbescheids nicht gleichzeitig bedeute, dass es nicht zu einer Straftat gekommen sei. „Wir prüfen, ob falsche Angaben in einzelnen Verfahren gemacht wurden“, sagt er. Ihm zufolge geht es um Verstöße gegen das Asyl- und Aufenthaltsgesetz sowie den Verdacht der Urkundenfälschung und Korruption. Dies sei „an den Haaren herbeigezogen“, sagt Sonnenberg.

Er wirft der Staatsanwaltschaft vor, unnötig viel Geld für die Sonderkommission „Antrag“ auszugeben. Sie zählt 36 Mann – die größte, die es je in Bremen gab. Passade sagt hingegen, dass sie alternativlos sei und nur so lange existiere bis die Ermittlungen abgeschlossen seien.

24 Apr 2019

LINKS

[1] /Nach-verpufftem-Bamf-Skandal/!5529206

AUTOREN

Stefan Simon

TAGS

Bremen
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Asylverfahren
Horst Seehofer
Asylpolitik
Ausländerrecht
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Asyl
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Heimatministerium
Bremen
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

ARTIKEL ZUM THEMA

Bamf-Krampf in Bremen: Skandal verpufft

Das Bremer Landgericht weist die Anklage im Bamf-Skandal fast ganz zurück. Asylrechtlich ist der Bremer Außenstellenleiterin nichts vorzuwerfen.

Anklage im Bamf-Fall in Bremen: 121 Straftaten vorgeworfen

Bremens Bamf-Leiterin Ulrike B. und zwei Anwälte sollen Geflüchteten unrechtmäßig Asyl verschafft haben. Jetzt gibt es Details zur Anklage.

Nach dem Bremer Bamf-Skandal: Ein Medienskandal?

Tausende Flüchtlinge, hieß es, hätten in Bremen illegal Asyl erhalten. Dann wurden es immer weniger. Was ist übrig und wie gehen Medien damit um?

Pläne zur Verschärfung des Asylrechts: Seehofers liebstes Prestigeprojekt

Der Innenminister will das Abschieberecht deutlich verschärfen. Die Opposition sieht die Grundrechte in Gefahr, die SPD hält sich bedeckt.

Gericht missbilligt Justizbehörde: Schwatzanwälte gerügt

Mit Plaudereien und erotischen Fantasien zum „Bamf-Skandal“ haben Ermittler laut Verwaltungsgericht Bremen die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten verletzt.

Gericht untersagt Pressemitteilung: Heimatministerium fern der Wahrheit

Das Bremer Oberverwaltungsgericht stoppt Verleumdungen des Bundesinnenministeriums gegen die frühere Chefin der Bremer Außenstelle des Bamf.

Nach verpufftem Bamf-Skandal: Bremen darf nicht arbeiten

Obwohl alle Asylentscheidungen des Bamf Bremen untersucht sind, bleibt die Außenstelle stillgelegt. Eine Entschuldigung wäre angebracht.

Überprüfung der Bremer Bamf-Affäre: Nur 165 falsche Bescheide ausgestellt

Im Bremer Bamf sind weniger falsche Asylbescheide ausgestellt worden als gedacht. So geht es aus einem vertraulichen Abschlussbericht hervor.