taz.de -- Überwachung im Schlachthof: Mit Kameras gegen die Qual
Ermittlungen im Fall Bad Iburg beziehen sich nicht auf Landwirte und Transporteure. Ministerin will neue Skandale mit Kameras verhindern.
Hannover taz | Obwohl die Schließung des Schlachthofs in Bad Iburg schon Monate her ist, ist das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) noch immer dabei, das „umfangreiche Filmmaterial“ zu sichten. Die Initiative Soko Tierschutz hatte heimliche Aufnahmen veröffentlicht, auf denen zu sehen ist, wie Schlachthofmitarbeiter*innen ausgemergelte Milchkühe an Ketten aus Transportern ziehen.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt gegen den Betreiber des Schlachthofs in Bad Iburg und gegen zwei amtliche Tierärzte, nicht aber gegen Transportunternehmen, Schlachthofmitarbeiter*innen oder Landwirt*innen. „Auf den Aufnahmen sind die unverpixelten Gesichter der Täter zu sehen“, sagt Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz. Zudem habe der Verein der Staatsanwaltschaft auch umfangreiche Dokumente aus dem Papiermüll des Schlachthofs übergeben – mit Daten von Anlieferern.
„Wir haben das innerhalb von zwei Wochen ausgewertet“, so der Tierschützer. „Es ist befremdlich, dass die Staatsanwaltschaft das seit Monaten vor sich her schiebt und damit Transporteure und Landwirte unbehelligt lässt.“
Staatsanwalt Thorsten Stein beruhigt: Wenn der Verdacht aufkomme, dass Beschuldigte Beweise vernichten könnten, werde das „insoweit zur Abwendung dieser Gefahr Erforderliche veranlasst werden“.
Unternehmen sollen Kameras aufhängen
Schneller prescht die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) voran. Die Frage ist nur, ob in die richtige Richtung. Gestern reichte das Land Niedersachsen gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative für Videoüberwachung in Schlachthöfen ein. Die soll verpflichtend werden.
Die Unternehmen sollen die Bereiche, in denen Mitarbeiter*innen mit lebenden Tieren arbeiten, mit Kameras überwachen. Veterinär*innen sollen Zugriff auf das Material haben. Otte-Kinast hofft auf eine präventive Wirkung.
Ob es etwas bringt, wenn Veterinärämter stichprobenhaft in das Material schauen? Mülln bezweifelt das: „Wenn die Veterinäre nicht in der Lage sind, die Tierschutzverstöße zu erkennen, wenn sie direkt daneben stehen, werden sie auch nicht handeln, wenn sie sie auf dem Bildschirm sehen.“
16 Feb 2019
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Tierschutz liegt ihr am Herzen, sagt Barbara Otte-Kinast, aber die Gesetze müssen andere liefern. Ein Gespräch über Tiertransporte und Kontrollmängel.
Die Tierschutzverstöße sind noch nicht aufgeklärt. Neuer Betreiber eröffnet den Oldenburger Schlachthof dennoch und hat selbst Kameras installiert.
Die Soko Tierschutz deckt erneute einen Verstoß in einer niedersächsischen Schlachterei auf. Videoaufnahmen der Tierschützer zeigen angeblich die Quälereien.
Bauer Klaus Seebürger schießt seine Tiere auf dem Feld. Er ist überzeugt: So bedeutet der Tod für sie am wenigsten Stress.
Tierwohllabel sollen verhindern, dass Nutztiere im Stall leiden. Einen qualvollen Tod im Schlachthof kennzeichnen sie aber nicht.
Meta Janssen-Kucz von den Grünen in Niedersachsen fordert verpflichtende Impfungen für alle Arbeitnehmer*innen, die in Schlachthöfen arbeiten.
Eine Petition fordert ein nächtliches Einsatzverbot für Mähroboter, weil sie Igel verletzen. Hersteller sehen jedoch keinen Grund zu handeln.
Der niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann bezeichnet Tierschützer als kriminelle Einbrecher. Dabei sollte er ihnen dankbar sein.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch gegen drei Schlachthöfe und Veterinäre in Niedersachsen. Den Grünen geht das nicht schnell genug.
Friedrich Mülln hat mit dem Verein „Soko Tierschutz“ die Tierquälerei in einem Schlachthof bei Osnabrück aufgedeckt. Die Bilder belasten ihn – und treiben ihn an.