taz.de -- Die Wahrheit: Des Dankes tausend Tränen

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Diesmal darf sich die Leserschaft an einem Poem über halbdebile Gesichter erfreuen.

Unentwegt in diesen Tagen

hört man Menschen „Danke!“ sagen,

Menschen, die in großen Hallen

schier aus allen Wolken fallen,

plötzlich große Augen haben,

ihr Gesicht dann halbdebil

tief im Fingerschoß vergraben –

bloß, weil grad ihr Name fiel.

Frauen mit oft langen Schleppen

sieht man daraufhin die Treppen

einer Bühnenwelt erklimmen,

wo sie kurz im Lichtmeer schwimmen

und noch immer schwer benommen

aus der Hand von der Person,

die sie rief, ein Ding bekommen

und dann geht’s ans Mikrofon.

Unter Fließen neuer Zähren,

während Hände einen Bären

oder Palmenlaub umfassen,

gilt’s: den Dank vom Stapel lassen!

Dazu fallen tausend Namen,

denen dieses Danke gilt,

bis hin zu den Zugehdamen –

und das Tränenmeer, es schwillt.

Danach geht’s schon wieder munter

auf den Platz die Treppe runter.

Meist begleiten Klassikklänge

diesen Heimweg in die Menge,

und nach kurzem Innehalten

ist im Regelfall ein Mann

mit der schon bekannt geballten

feuchten Dankesarie dran.

31 Jan 2019

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Reinhard Umbach

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