taz.de -- Türkei geht gegen Gülen-Anhänger vor: 222 Haftbefehle ausgestellt

In der Türkei wurden zahlreiche Menschen verhaftet, weil sie Anhänger von Fethullah Gülen sein sollen. Die meisten von ihnen sind Berichten zufolge aktive Soldaten.
Bild: Sieht die Behörden durch Gülen-Anhänger unterwandert: Türkeis Präsident Erdoğan

Istanbul afp | Die türkische Staatsanwaltschaft ist erneut mit Großrazzien gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vorgegangen, darunter dutzende aktive Soldaten. Insgesamt wurden am Dienstag in Ankara, Konya, Kocaeli und anderen Provinzen 222 Haftbefehle für mutmaßliche Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen ausgestellt, wie die Nachrichtenagenturen Anadolu und DHA meldeten. Gülen wird von der türkischen Regierung beschuldigt, hinter dem versuchten Militärputsch von Juli 2016 zu stecken.

Die meisten Verdächtigen waren den Berichten zufolge aktive Soldaten, die von öffentlichen Telefonen Anrufe getätigt haben sollen, um sogenannte Imame der Gülen-Bewegung zu kontaktieren. Der Militärexperte Metin Gurcan hatte im Dezember im Webmagazin „Al-Monitor“ geschrieben, dass eine neue Welle von Festnahmen im Militär erwartet werde, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen zur „verdächtigen“ Nutzung von öffentlichen Telefonen abgeschlossen habe.

Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan wirft der lange mit ihr verbündeten Gülen-Bewegung vor, Militär, Polizei, Justiz und Verwaltung unterwandert zu haben, um die Macht im Staat zu übernehmen. Seit dem Putschversuch von Juli 2016 wurden zehntausende mutmaßliche Mitglieder der religiösen Bruderschaft aus dem Staatsdienst entlassen oder festgenommen. Auch zweieinhalb Jahre danach gibt es fast jede Woche neue Razzien.

Justizminister Abdülhamit Gül sagte kürzlich, es seien bisher 31.088 Menschen wegen Verbindungen zu Gülen inhaftiert oder verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft in Ankara stellte am Dienstag Haftbefehle für 50 aktive Soldaten aus, während in Izmir 29 Verdächtige gesucht wurden, von denen zunächst 21 festgenommen wurden. Auch in Konya wurden laut Anadolu 50 Haftbefehle ausgestellt, von denen sich 32 gegen aktive Soldaten richteten.

Bei Interpol beantragte die Türkei die Festnahme des NBA-Stars Enes Kanter, dem sie Mitgliedschaft in der verbotenen Gülen-Bewegung vorwirft. Kanter bekennt sich offen zum islamischen Prediger Fethullah Gülen, den die Regierung in Ankara beschuldigt, hinter dem versuchten Militärputsch von Juli 2016 zu stecken. Wegen Kanters Verbindungen zu Gülen erklärte die Türkei 2017 seinen Reisepass für ungültig und stellte einen Haftbefehl aus.

15 Jan 2019

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