taz.de -- Kommentar EU-Ultimatum für Maduro: Ein sehr fader Beigeschmack

EU-Länder machen Druck auf Maduro. Im Prinzip ist die Kontrolle demokratischer Spielregeln richtig. Im Fall Venezuela ist es aber nicht so einfach.
Bild: Untertstützer der venezolanischen Opposition auf einer Demo am Sonntag in Caracas

Fünf europäische Staaten, darunter Deutschland, haben dem amtierenden Präsidenten Venezuelas, Nicolás Maduro, ein [1][Ultimatum] gestellt: Entweder er rufe binnen acht Tagen Neuwahlen aus oder man werde Juan Guaidó – den Parlamentspräsidenten und seit letzter Woche selbst ernannten Staatschef – als Präsidenten anerkennen.

Verfassungsrechtlich ist dieser Schritt nicht zu begründen: Guaidó beruft sich auf Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, nach dem der Parlamentspräsident übergangsweise die Regierungsgeschäfte übernimmt und binnen 30 Tagen Neuwahlen ausruft. Und zwar nur dann, wenn an der Staatsspitze ein Machtvakuum entstanden ist, etwa durch Ableben des Präsidenten.

Von einem solchen Machtvakuum kann nicht die Rede sein: Maduro hat ja nicht zu wenig, [2][sondern zu viel Macht]. Die aber, so die berechtigte Lesart der Opposition und zumindest großer Teile des Auslands, hat er zu Unrecht, weil die Wahlen vom Mai vergangenen Jahres weder frei noch fair waren.

Im Prinzip ist es nicht falsch, wenn im internationalen diplomatischen Miteinander auf die Einhaltung demokratischer Spielregeln geachtet würde. Aber man macht sich gewiss nicht des billigen Whataboutism schuldig, wenn man feststellt, dass dieses Kriterium bei internationalen Allianzen in der Regel nun wirklich keine Rolle spielt.

Im Fall Venezuelas geht es insofern nicht grundsätzlich um Demokratie. Guaidó hat laut AP dieses Manöver seit Monaten vorbereitet – unter anderem in Geheimgesprächen mit den USA und den rechten Regierungen Kolumbiens und Brasiliens. Sein Vorgehen hat einen sehr faden Beigeschmack, was aber dennoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Einmischung von außen falsch ist.

Denn wenn es durch solcherart diplomatischen Druck tatsächlich gelänge, auf friedliche Weise einen sonst vom Maduro-Regime ausgeschlossenen Politikwechsel durch freie Wahlen einzuleiten, wäre dem ruinierten Land sehr gedient.

27 Jan 2019

LINKS

[1] /Politische-Krise-in-Venezuela/!5568306
[2] /Machtkampf-in-Venezuela/!5565092

AUTOREN

Bernd Pickert

TAGS

Venezuela
Nicolás Maduro
Juan Guaidó
Venezuela
Venezuela
Juan Guaidó
Venezuela
Venezuela
Venezuela
Venezuela

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Ich meld mich: Land unter in den Llanos

Die Llanos – das sind die endlosen Ebenen Venezuelas. Ein Leben wie im mexikanischen Western, mit Liedern so traurig wie Venezuelas Aktualität.

Guaidó-Gastbeitrag in der New York Times: „Es gab heimliche Treffen“

Der selbsternannte Interimspräsident Guaidó will sich mit dem Militär getroffen haben. Das Europaparlament erkennt ihn als Übergangspräsidenten an.

Venezuelas Interimspräsident: Guaidó soll nicht ausreisen dürfen

Die Generalstaatsanwaltschaft in Venezuela ermittelt gegen Interimspräsident Juan Guaidó. Ihm soll verwehrt werden, das Land zu verlassen.

US-Sanktionen gegen Venezuela: Druck machen mit Öl

Venezuela hängt bei seinen Ölexporten stark von den USA ab. Die USA wollen den Präsidenten Maduro mit Sanktionen aus dem Amt drängen.

Machtkampf in Venezuela: Guaidó ruft zu neuen Protesten auf

In Venezuela hat der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó neue Proteste angekündigt. Die Armee solle sich dabei „an die Seite des Volkes stellen“.

Politische Krise in Venezuela: Europäisches Ultimatum an Maduro

Fünf europäische Staaten verlangen eine Neuwahl in Venezuela. Ein Militärattaché in Washington hat sich von Staatschef Nicolás Maduro losgesagt.

Machtkampf in Venezuela: Der Weg in die Krise

Seit Mittwoch hat Venezuela zwei Präsidenten, zwei Parlamente und zwei Oberste Gerichte. Wie ist es dazu gekommen?

Machtkampf in Venezuela: Amnestie zum Ausdrucken

Oppositionsführer Guaidó setzt Präsident Maduro unter Druck. Die USA ziehen diplomatisches Personal ab. Dem Machtkonflikt folgt der Kampf ums Geld.