taz.de -- Kommentar AfD und Verfassungsschutz: Überwachung allein reicht nicht

Der Verfassungsschutz macht die AfD als Ganze zum Prüffall in Sachen Rechtsextremismus. Ein wichtiger Schritt, aber kein Grund zum Aufatmen.
Bild: Die AfD ist endlich ein Prüffall für den Verfassungsschutz

Die Entscheidung war schon lange überfällig: Der Verfassungsschutz nimmt nun endlich die AfD stärker ins Visier und [1][macht die ganze Partei zum Prüffall in Sachen Rechtsextremismus]. Eindeutiger noch trifft es die Junge Alternative, die Jugendorganisation der Partei, und die Strömung um Partei-Rechtsaußen Björn Höcke, die sich selbst Der Flügel nennt. Hier sieht der Verfassungsschutz bereits klare Hinweise auf rechtsextreme Bestrebungen.

Dass der Verfassungsschutz zu diesem Schritt jetzt bereit war, liegt nicht zuletzt auch an der neuen Führung. Sie zog die richtigen Konsequenzen daraus, dass Teile der AfD die Menschenwürde aller, die nicht in ihr völkisch-nationalistisches Weltbild passen, mit Füßen treten, die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren und den demokratischen Rechtsstaat nicht nur verunglimpfen, sondern „das System“ überwinden wollen.

Bestes Beispiel dafür: [2][der Thüringer Fraktions- und Landeschef Höcke], dem dereigene Bundesvorstand 2017 in einem damals angestrebten Parteiausschlussverfahren schon „eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus“ bescheinigte. Auf einer Demonstration in Chemnitz im vergangenen Sommer vollzog die Flügel-Spitze öffentlich den Schulterschluss mit Rechtsextremisten; bekannt ist ebenso, dass zahlreiche Funktionäre des Flügels so wie der Jungen Alternative eng mit der rechtsextremen Identitären Bewegung verbandelt sind.

AfD in heller Aufregung

Dass sich die AfD in den vergangenen Monaten aus Angst vor der Beobachtung gemäßigter gab und deshalb auch von Leuten wie Höcke wenig zu hören war, ändert an alldem nichts. Die AfD-Spitze gibt sich trotzig und wird nun versuchen, die Entscheidung des Verfassungsschutzes als politisch motiviert abzutun. Doch intern ist sie in heller Aufregung. Sie weiß: WählerInnen aus dem bürgerlichen Milieu schrecken davor zurück, eine Partei zu wählen, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Genau diese WählerInnen aber haben der AfD in den vergangenen Jahren ihre Traumergebnisse beschert – ohne sie sind zweistellige Ergebnisse kaum möglich. Wenn sich der gesellschaftliche Maßstab nicht ganz verschoben hat, könnte es damit bald vorbei sein. Auch für Beamte wird es nun brenzlig, sich in der AfD, besonders aber beim Flügel, zu engagieren, denn ihnen wird Verfassungstreue abverlangt. Polizisten, Richter und Lehrer sind ein wichtiger Bestandteil der AfD. Bricht diese Gruppe weg, geht der Partei eine wichtige Ressource verloren.

Die Entscheidung des Verfassungsschutzes geht also in die richtige Richtung. Aber ein Grund zum Aufatmen ist dies noch lange nicht. Allein mit nachrichtendienstlichen Mitteln wird man die AfD nicht besiegen können. Dafür ist das Engagement aller DemokratInnen gefragt.

15 Jan 2019

LINKS

[1] /AfD-im-Blick-des-Verfassungsschutzes/!5565986
[2] /Bjoern-Hoecke-droht-ein-Strafverfahren/!5558801

AUTOREN

Sabine am Orde

TAGS

Schwerpunkt AfD
Bundesamt für Verfassungsschutz
Verfassungsschutz
Junge Alternative (AfD)
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Junge Alternative (AfD)
Schwerpunkt Rassismus

ARTIKEL ZUM THEMA

Prüfung durch den Verfassungsschutz: In welche Richtung kippt die AfD?

Für den Verfassungsschutz ist die AfD ein Prüffall. Die Partei weiß nicht, wie sie mit Rechtsradikalen umgehen soll.

Gast-Kommentar Verfassungsschutz: AfD beobachten? Schlechte Idee!

Der Verfassungsschutz hat die AfD zum Prüffall erklärt. Doch die Erleichterung darüber dürfte kurzsichtig sein: Die Behörde ist Teil des Problems.

Frank Magnitz' Medienstrategie geleakt: „Mediale Betroffenheit“ erzeugen

AfD-Mann Magnitz soll bewusst das Foto seines blutigen Gesichts verbreitet haben. So habe er Aufmerksamkeit auf den Überfall lenken wollen.

AfD im Blick des Verfassungsschutzes: Unter Beobachtung

Es ist eine Zäsur: Der Verfassungsschutz erklärt die AfD zum Prüffall, die Parteijugend und den „Flügel“ zu Extremisten.

Rechtsextremer Angriff in Bottrop: Die Aufgehetzten

Mit einem Pkw versuchte ein 50-Jähriger in der Silvesternacht in Bottrop Migranten zu töten. Ähnliche Fälle gab es immer wieder.