taz.de -- Kommentar Wahlen Ostukraine: Vertiefte Gräben

Die Abstimmung in den abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk verheißt nichts Gutes. Ein Frieden rückt in immer weitere Ferne.
Bild: Mit Druck an die Urne getrieben: die Wähler der Ostukraine sollten die prorussische Führung „legitimieren“

Der Abstimmung vom vergangenen Sonntag in den abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk der Ostukraine sei Dank: [1][Nun sind sie also „legitimiert“ die beiden prorussischen Interimschefs Leonid Passetschnik und Denis Puschilin] samt der ihnen hörigen Claqueure in den örtlichen Parlamenten.

Dabei waren die sogenannten Wahlen nichts anderes als eine Farce. Ganze Belegschaften von Betrieben wurden unter Druck gesetzt im Falle einer nicht opportunen Stimmabgabe ihren Arbeitsplatz zu verlieren. International ernstzunehmende Wahlbeobachter waren nicht vor Ort. Und die einzige wirkliche Auswahl hatten die WählerInnen an reich bestückten Lebensmittelständen – eine schon zu Sowjetzeiten gängige Methode, um sie zu motivieren, ihrer „staatsbürgerlichen Pflicht“ nachzukommen.

Doch trotz der gesammelten Absurditäten geht von diesen „Wahlen“ eine Botschaft aus, die für die Zukunft nichts Gutes erwarten lässt. Will heißen: Das Ziel, die Region zu befrieden, ist in weite Ferne gerückt. Denn Wahlen abzuhalten – mit dem Segen Moskaus versteht sich -, stellt eine eklatante Verletzung des [2][Minsker Abkommens] da. Diese Vereinbarung von 2015, bis dato die einzige Grundlage für Verhandlungen, macht eine all umfassende Waffenruhe zur Voraussetzung für eine Durchführung von Abstimmungen. Von einer Waffenruhe allerdings kann in der Realität keine Rede sein. Fast täglich werden Verstöße gemeldet – und zwar von beiden Seiten. Und fast täglich sterben Menschen in einem Konflikt, der bisher über 10.000 Opfer gefordert hat.

Deshalb dürfte wohl auch jetzt leider alles weitergehen wie bisher. Russland wird einen Konflikt befeuern, mit dem man angeblich nichts zu tun hat. Auch die Ankündigung der Ukraine, alle diejenigen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, die gewählt haben, dürfte nicht zur Entspannung der Lage beitragen. Zumal die Ankündigung absurd ist, wenn man bedenkt, wie sehr die Bevölkerung unter Druck gesetzt wurde, ihre Stimme abzugeben. Und Fakt ist außerdem: Laut einer Umfrage von diesem Jahr befürworten rund 70 Prozent der Befragten in Donezk, dass ihre Region wieder unter die Kontrolle der Kiewer Regierung zurückkehrt.

Alles in allem: keine guten Aussichten für Frieden in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

13 Nov 2018

LINKS

[1] https://www.tagesschau.de/ausland/donezk-luhansk-wahlen-103.html
[2] /Ukraine-Gipfel/!5020491

AUTOREN

Barbara Oertel

TAGS

Ostukraine
Volksrepublik Donezk
Volksrepublik Lugansk
Minsk II
Ostukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Russland
Volksrepublik Lugansk
Ukraine
Lesestück Recherche und Reportage

ARTIKEL ZUM THEMA

Krieg in der Ostukraine: Dem Frieden ein Stück näher

Pro-russische Kämpfer lassen vier ukrainische Gefangene frei. Im Ort Staniza Lugansk unweit der Front beginnt die militärische Entflechtung.

Konflikt auf dem Asowschen Meer: Von strategischer Bedeutung

Der Zusammenstoß zwischen Russland und der Ukraine auf dem Asowschen Meer ist nicht der erste. Das liegt an der besonderen Lage des Gewässers.

Ukraine reagiert auf Krim-Zwischenfall: Präsident will Kriegsrecht verhängen

Der Konflikt mit Russland im Asowschen Meer eskaliert. Der ukrainische Präsident hat ein Dekret zur Verhängung des Kriegsrechts unterzeichnet.

Zwischenfall vor der Krim: Ukraine entscheidet über Kriegsrecht

Russland hat vor der Meerenge von Kertsch Schiffe der ukrainischen Marine beschossen. Das Parlament in Kiew soll nun eine Verhängung des Kriegsrechts prüfen.

Der Konflikt um die Krim: Die Macht auf Stelzen

Eine Brücke spannt sich über eine Meerenge zwischen Krim und Russland. Viele Anwohner erfüllt der Bau mit Stolz – doch manche verlieren so ihren Job.

Wahl in der Ostukraine: Der Schein von Normalität trügt

In den sogenannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk haben die Bewohner abgestimmt. Das könnte das Ende des Krieges erschweren.

Flucht vor dem Militärdienst: Ukrainer auf Westkurs

Roman Petrenko studiert in Berlin und hängt in der Luft. Der ukrainische „Junior-Leutnant“ will nicht in den Krieg ziehen – so wie Tausende andere.

Grenzdorf im Ukraine-Konflikt: Von Krieg und Frieden

Tschermalyk ist ein Dorf an der Front. Die Bewohner bleiben trotz Schlafmangels. Wegen eines Pakts.