taz.de -- Sicherheit am Berliner Breitscheidplatz: Sand und Metall gegen die Angst

Berlin testet am Weihnachtsmarkt rund um den Breitscheidplatz ein neues Sicherheitskonzept. Andere Betreiber müssen sich selbst kümmern.
Bild: Sandsäcke, die in Metallgitterkörbe kommen: die neuen Sicherheitsbarrieren gegen Terroranschläge am Breitscheidplatz

Das laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) innovativste Sicherheitskonzept für öffentliche Plätze in Deutschland sieht überraschend archaisch aus: Eine Reihe von Metallgitterkörben, die mit schwarzen Sandsäcken gefüllt ist, säumt die Ränder des Breitscheidplatzes entlang der Budapester und Tauentzienstraße. Daneben steht ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma und spricht sich über Walkie-Talkie mit dem Kollegen ab. „Einer dieser Kästen ist locker zwei bis drei Tonnen schwer“, erklärt er. Schon seit Montag arbeiten sie hier rund um die Uhr.

Die Vorbereitungen zum Weihnachtsmarkt laufen in der Woche vor seiner Eröffnung am Montag auf Hochtouren. Die mehr als 100 verkeilten Metallkörbe sind Teil eines Konzeptes mit dem Ziel, dass auch 40 Tonnen schwere Lkws die Sperren nicht durchbrechen können, sagt ein Sprecher der Innenverwaltung der taz.

Erarbeitet hat dieses Konzept eine Projektgruppe, bestehend aus Mitarbeiter*innen der Polizei und Feuerwehr, die unter Leitung der Senatsverwaltung für Inneres auch mit den Bezirken Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf und den Senatsverwaltungen für Finanzen, Stadtentwicklung sowie Umwelt zusammenarbeiten.

Die Metallkörbe sind nicht die einzigen Sicherheitsmaßnahmen. Betonpoller sperren zusätzlich die Eingänge des Marktes ab. Außerdem werden bis 6. Januar die Budapester und Tauentzienstraße auf Höhe des Platzes für Autofahrer*innen gesperrt – nur Radfahrer*innen, Lieferverkehr und Linienbusse dürfen passieren, kündigte die Polizei schon letzte Woche an. Auch Wachdienste und Polizei in Zivil werden verstärkt vor Ort sein.

Breitscheidplatz als Pilotprojekt

Laut Pressemitteilung der Geisel-Behörde hätten diese „aufeinander abgestimmten Typen von Sperren“ den Anschlägen am 19. Dezember vor zwei Jahren standgehalten. Damals starben zwölf Menschen, mehr als 70 weitere wurden verletzt. An sie erinnern Kerzen, Bilder und Rosen auf den Treppen der Gedächtniskirche.

Die starken Sicherheitsmaßnahmen versteht Innensenator Geisel als „Pilotprojekt“. Im RBB-Interview sagte er: „Wir waren europaweit unterwegs und haben uns angeschaut, was in anderen großen Städten eingesetzt wird.“ Am Breitscheidplatz sollen die Ergebnisse nun getestet werden. „Wir lernen“, sagte Geisel weiter. Berlin finanziert die Sperrelemente sowie deren Auf- und Abbau deshalb mit 2,5 Millionen Euro, bestätigte einer seiner Sprecher der taz.

Andere Veranstalter hingegen müssen ihre Weihnachtsmärkte selbst schützen. Das gilt auch für den Markt vor dem Roten Rathaus, der wie jener am Breitscheidplatz zu den größten in Berlin zählt. Auch hier werden derzeit Betonklötze und Eingangsschleusen aufgebaut, sagt Sprecherin Dunja Wolff. Mit Eröffnung des Marktes am Montag werden außerdem Wachpersonal patrouillieren und Sensoren an den Eingängen automatisch die Besucher*innen zählen, um notfalls einen Einlassstopp zu verordnen.

„Seit 2017 fordert die Straßenverkehrsbehörde ein noch umfangreicheres Sicherheitskonzept als sonst“, berichtet Veranstalter Hans-Dieter Laubinger über jene Behörde, die schließlich die Veranstaltung genehmigt. „Die hohen Anforderungen hängen wohl mit dem Anschlag am Breitscheidplatz zusammen.“

Geschichtlich eine andere Nummer

Im vergangenen Jahr habe der Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus rund 150.000 Euro für generelle Sicherheitsvorkehrungen ausgegeben – viele dieser Investitionen könnten dieses Jahr wieder verwertet werden, sagt Laubinger.

„Ein bisschen Unterstützung vom Senat wäre aber wünschenswert“, sagt Sprecherin Wolff über die Mehrausgaben. Diese könnten sie nur mit höheren Standgebühren für die Händler*innen decken. Dass der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz ein 2,5-Millionen-Konzept bekommt, findet sie aber verständlich: „Das ist dort eine andere Nummer – sowohl verkehrstechnisch als auch geschichtlich.“

Ein Sprecher der Innenverwaltung argumentiert ähnlich: Mit dem Anschlag vor zwei Jahren habe der Breitscheidplatz eine besondere Bedeutung bekommen. Zudem handele es sich um nachhaltige Ausgaben, von denen nicht nur dieser eine Weihnachtsmarkt profitieren wird. „Die Absperrungen bleiben auch nach der Weihnachtszeit im Besitz des Landes und können bei künftigen Großveranstaltungen wieder eingesetzt werden“, betont der Sprecher. Weil sie mobil auf- und abbaubar sind, könnten sie wiederverwertet werden – etwa am 1. Mai.

24 Nov 2018

AUTOREN

Jana Lapper

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