taz.de -- Kommentar Kohlekommission: Zeit für neues Denken
Innovation statt sinnloser Straßen: Die Kohlekommission steht vor einer großen Aufgabe. Sie muss das Allgemeinwohl neu definieren.
Die „Kohlekommission“ [1][hat einen Zwischenbericht vorgelegt], aber die wirkliche Arbeit geht jetzt erst los. Die Mitglieder, von Öko-Verbänden bis Bergbau-Gewerkschaften und Betroffene aus den Regionen, haben sich auf die Instrumente geeinigt, mit denen vor allem in der Lausitz und im rheinischen Revier der Strukturwandel abgefedert werden soll: Milliarden für neue Straßen und Schienen, Forschungsinstitute, schnelles Internet, Jobs bei Bundesbehörden.
Wann und was genau davon umgesetzt wird, darum wird es in den nächsten sechs Wochen gehen. Und das hängt damit zusammen, wie schnell die Abschaltung der Kraftwerke geplant ist. Da muss die Öko-Seite sehr vorsichtig sein, dass sie nicht über den Tisch gezogen wird, während andererseits sehr viel Steuergeld ausgekippt wird. Denn die Forderungen der Kohleländer sind völlig überzogen: Mit 60 Milliarden Euro wollen sie sich den Strukturwandel finanzieren lassen und Straßen auch da bauen, wo niemand fährt.
Die Kommission soll eigentlich nur ausgleichen, was für den Klimaschutz schneller als geplant passiert – und nicht das ohnehin geplante Auslaufen der Tagebaue und das Ende alter Kraftwerke vergolden. Sachsen-Anhalt etwa schreit am lautesten. Das ist verständlich, wenn man die wirtschaftlichen und sozialen Probleme und die Gefahr durch die AfD sieht. Aber die Tagebaue dort laufen 2035 ohnehin aus. Warum sollte es also zusätzliche Bundeshilfen geben, wenn der gesamtdeutsche Ausstieg für diese Zeit festgelegt wird?
Bei der Abwägung rund um die Entschädigungen wird viel vom „Allgemeinwohl“ die Rede sein. Dieser Begriff wird bislang auch von den Gerichten immer zu Gunsten der Kohle ausgelegt. Denn die Tagebaue sicherten über Jahrzehnte die Stromversorgung und nützten deshalb der Gemeinschaft. Damit ist bald Schluss: Immer mehr sind intelligent vernetzte erneuerbare Energien, Speicher und das europäische Netz in der Lage, den dreckigen Kohlestrom zu ersetzen.
Die Kommission sollte deshalb anders als bisher auf das „Allgemeinwohl“ blicken: Einmal, weil dem Gemeinwesen nur gedient ist, wenn die Steuermilliarden in den Regionen für nachhaltige Mobilität, zukunftsfähige Forschungsinstitute und innovative Firmen ausgegeben werden – und nicht, wenn sie blind im Beton sinnloser Straßen versenkt werden. Und zweitens, weil nichts für das Allgemeinwohl wichtiger sein wird als ein effektiver Klimaschutz über ein möglichst schnelles Aus für die Kohle.
26 Oct 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Wenn die Regierung die Kohlekommission länger tagen lässt, sollten die Umweltverbände aussteigen. Und für das Kohle-Aus auf der Straße kämpfen.
Betreibern steht laut Gutachten keine Entschädigung zu, wenn ihre Kraftwerke stillgelegt werden. Die Kommission will trotzdem zahlen.
Die in der Kohlekommission vertretenen Umweltverbände wollen bis 2022 mehrere Kraftwerke stilllegen. Dies sorgt für Protest.
Sonderausschreibungen für Wind- und Solaranlagen kommen bis 2021 – und damit ein Jahr später als im Koalitionsvertrag vereinbart.
Der Kohleausstieg kostet Jobs, führt zu Strommangel und rettet den Hambacher Wald auch nicht: Was ist dran an diesen Argumenten der Kohle-Fans?
Der Kampf um den Kohleausstieg geht jetzt erst los. Die Kohlekommission einigt sich auf einen Zwischenbericht zu Maßnahmen für betroffene Regionen.