taz.de -- Kommentar Ende des Hungerstreiks: Senzow öffnet Türen
Der ukrainische Regisseur Oleg Senzow muss seinen Hungerstreik abbrechen. Nun rückt die Problematik des Geiselaustauschs in den Vordergrund.
Mit seiner Entscheidung, den Hungerstreik [1][nach 145 Tagen] zu beenden, hat der ukrainische Regisseur Oleg Senzow seinen Tod abgewendet. Hätte Senzow weiter gehungert, wäre er menschenunwürdig zwangsernährt worden.
Auch wenn Senzow seine Entscheidung als Niederlage wertet: Mit seinem am Freitag beendeten Hungerstreik hat er seine Ziele teilweise erreicht. Der Regisseur [2][von der Krim] hat deutlich gemacht, dass eben nicht die gesamte Bevölkerung der Halbinsel mit der Annexion einverstanden ist. Und er hat das Schicksal der Ukrainer, die in russischer Geiselhaft sind, in das Licht der Weltöffentlichkeit gerückt.
Senzow hat aber auch gezeigt, dass sich die russische Führung nicht vom drohenden Tod eines hungerstreikenden politischen Gefangenen beeindrucken lässt. Vielleicht ist Russland jetzt bereit, den scheinbar besiegten Gegner in seine ukrainische Heimat ziehen zu lassen. Möglicherweise besteht nun die Chance, dass Russland und die Ukraine in der Frage der Geiseln weiterkommen.
Dabei geht es nicht nur um Dutzende Ukrainer, die in russischer Geiselhaft sind. Auch in der Ukraine sitzen russische Staatsbürger in Haft, solange, bis sie irgendwann, was für ein hässliches Wort, ausgetauscht werden. Ende 2017 hatte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kurzerhand russische Staatsbürger, die auf einer Liste von auszutauschenden Gefangenen gestanden hatten, von der Tauschliste gestrichen. Auch die Ukraine will „Tauschmaterial“ vorrätig haben.
Die Bemühungen um eine Freilassung der Geiseln des Krieges in der Ostukraine müssen gerade jetzt, nach dem Ende von Senzows Hungerstreik, weitergehen. Und es müssen Lösungen gefunden werden, die es allen Beteiligten erlauben, ihr Gesicht zu wahren. Mit Rechtsstaatlichkeit hat dieser ganze Tauschhandel allerdings wenig zu tun.
6 Oct 2018
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