taz.de -- Kolumne Henningway: Ökonomie im Zeichen des Sports

Kinder- und Jugendsport muss als Teil des Sozialsektors gesehen werden. So kann Sport aus der Perspektive der Schwächsten gestaltet werden.
Bild: Auch im Sport gibt es bekanntlich Gold. Doch für Gold gibt es leider keinen Sport

In Zukunft werden wir 100 Jahre alt. Und bis zum Umfallen arbeiten. Oder zumindest bis kurz davor. Sonst wird das mit der Arbeit nicht mehr klappen. Soweit die Rede der Bankerin. Wir sitzen in ihrem Büro im Frankfurter Westend. Ich gucke aus dem Fenster in die Ferne und ahne das Leben, das da unten stattfindet. Wir, das sind die privilegierten Menschen der ersten Welt. Einer von ihnen bin ich.

Ich stehe nach dieser Rechnung, kurz nach meinem 50. Geburtstag, in der Mitte meines Lebens. Wenn ich denn Glück habe und nicht zufälligerweise, auch das ist Statistik, etwas schief läuft. Ich hatte die Bankerin ursprünglich gefragt, ob nicht bestimmte, herumschwirrende Gelder aus Fonds dafür eingesetzt werden könnten, um allen Kindern einen vernünftigen und schönen Einstieg in den Sport zu garantieren.

Das jetzige System rund um Ehrenamt, Vereinssport und den Schulsport generiert bestenfalls positive Zufälle des Gelingens, definiert sich aber allerorten durch Mangel. Ich bin auf der Suche nach dem Jackpot, der die Grundlage für das Beheben eben dieses Mangels ist.

Sport als identitätsstiftendes Medium

Sport ist, wie auch Musik und Kunst, ein identitätsstiftendes Medium und kann einen sehr wichtigen Rahmen beim Aufwachsen abgeben. So schlicht wie gut ist das. Beim Nachdenken über ein Thema wie dieses hilft es mir, die Dinge aus der Position der Schwächsten der Gesellschaft zu denken.

Wie ist es für Eltern, für die ein Sportverein nicht etwas Selbstverständliches ist, die vielleicht gar nicht wissen, welche Vereine und welche Angebote es für ihre Kinder vor Ort gibt? Wie bekannt ist dort, so unterschiedlich dieses dort ist, die Wichtigkeit von Bewegung und Spiel im Kindergartenalter?

Anstatt sich in Larmoyanz zu üben, dass diese Fragen noch keine Antwort von Relevanz gefunden haben, gilt es, ein neues Arbeitsfeld herzustellen, in dem der Sport bewusst aus der Perspektive der Schwächsten beackert wird.

Gesündere und beseeltere Kinder

Kinder- und Jugendsport als Teil des Sozialsektors zu denken, darum geht es. Sport systematisch und ressortübergreifend zu bearbeiten, als Thema von Gesundheit, Bildung, Jugend, Sozialem ebenso wie als Thema von Stadt- oder Regionalentwicklung – darum geht es auch. Dieses Arbeitsfeld ist so weder im deutschen Sport noch der Gesellschaft vorgesehen. Noch nicht.

Durch Investitionen in dieses zu entwickelnde System spart man Gelder, da die beteiligten Kinder gesünder und beseelter aufwachsen. So einfach ist das. Diese gesparten Gelder sind doch im Prinzip Rendite und müssten nicht nur Krankenkassen interessieren. Warum sollte investiertes, virtuelles Geld nicht einmal einen gesellschaftlichen Zweck erfüllen? So meine Argumente.

Wochen, nachdem ich bei der Bank in Frankfurt war, sitze ich tief im Inneren des Bundesfinanzministeriums. Der Bau, der ehemals das Reichsluftfahrtministerium beherbergte, hat nichts Leichtes und gibt wenig Blicke nach außen frei. Mit einem klugen Mann rede ich hier. Er versteht das Thema sofort.

Ein klar erkennbarer gesellschaftlicher Nutzen

Das Problem sei, dass zwar ein klar erkennbarer gesellschaftlicher Nutzen und ein sozialer Mehrwert in das angedachte Tun eingeschrieben und sicherlich auch wissenschaftlich beweisbar sei, dies aber nicht zu einem „Cashflow“ zurück zu einem Investor führe. Der Finanzmann schließt nüchtern, das sei ein typisches Beispiel für eine Investition, die der Staat tätigen müsse. Also wir.

18 Oct 2018

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Henning Harnisch

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