taz.de -- Zweite Staffel „4 Blocks“: Erfolgreich, grimmig und gehetzt

Auch die zweite Staffel „4 Blocks“ über einen Neuköllner Gangsterclan bleibt spannend. Nur für interessante Frauenfiguren ist zu wenig Raum.
Bild: Szene aus „4 Blocks“: Mit dem Erfolg steigen die Ertwartungen

Einen Tag vor der Premiere twittert der britische Comedian Ricky Gervais an 13 Millionen Follower: „Just finished the German series #4Blocks. It’s a fucking masterpiece.“ Eine bessere Vorlage zur zweiten Staffel hätten sich die Verantwortlichen kaum wünschen können. Eine Woche vor TV-Start haben sie ins Berliner Kino International eingeladen, um die Fortsetzung ihrer Geschichte um einen libanesischen Gangster-Clan in Berlin-Neukölln zu feiern. Auf den roten Teppichen erwarten Cast, Crew, Medien, Fans sowie ein paar einschlägige Hip-Hop-Größen die Aufführung der ersten beiden Folgen auf der großen Leinwand.

„Ich weiß, dass es eher ungewöhnlich ist, eine Premiere zu einer zweiten Staffel zu machen“, gibt Hannes Heyelmann, Geschäftsführer des Münchener Senders TNT Serie, zu. „Aber das ist ja auch keine gewöhnliche Serie.“

Keine acht Monate vorher: „144/1, die Zweite“ – „Abbruch!“ Es ist Mitte Februar in einem Saal im Kriminalgericht Moabit. Sender und Produktionsfirma Wiedemann & Berg haben zu einem Setbesuch eingeladen. Die Dreharbeiten für die neue „4 Blocks“-Staffel sind gerade gestartet. Es geht um eine Szene aus der ersten Folge: Abbas (Rapper Veysel Gelin), der unberechenbar-gewalttätige Bruder der Hauptfigur Toni Hamady (Kida Khodr Ramadan) muss sich wegen Mordes vor der Justiz verantworten.

Auf den Besucherbänken sitzt seine Gangsterfamilie. Eine Journalistenmeute soll im Blitzlichtgewitter auf ihn zurennen, hat aber ihren Einsatz verpennt. Oliver Hirschbiegel („Das Experiment“, „Der Untergang“), der in den ersten drei Episoden Regie führt, dirigiert hinter einem Bildschirm das Ensemble.

Motor für Diversität

Zusammen mit Özgür Yıldırım („Nur Gott kann mich richten“) hat er den Österreicher Marvin Kren abgelöst. Weil dieser aber den Charakter der Serie entscheidend mitgeprägt hat, ist er als Executive Producer weiterhin Teil des Projekts und sitzt mit Produzent Quirin Berg sowie den Serienschöpfern und Autoren Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad vor den Medienvertretern. „Wir investieren in die zweite Staffel über fünfeinhalb Millionen Euro“, verrät Heyelmann, für dessen Sender „4 Blocks“ zum wichtigen Aushängeschild geworden ist. „Mit dem Erfolg steigen auch immer die Erwartungen“, ergänzt der Produzent.

Weil die Gangsterserie mit starkem Genrebezug, harten Themen und einer ungewohnten soziokulturellen Erzählperspektive für deutsche TV-Verhältnisse so ungewöhnlich ist, hat „4 Blocks“ schnell eine große Anhängerschaft gewonnen. „Wenn Kida durch Neukölln geht, dann geht Toni durch Neukölln“, so Berg, der gerne auch auf die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten hinweist, die sich zu „4 Blocks“ bekennen. Hauptdarsteller Ramadan ist zum Star geworden. „Dass mich jemand wie Jogi Löw bei der Bambi-Verleihung darauf anspricht, ist schon ein Gänsehaut-Moment“, bestätigt der in Beirut geborene und in Kreuzberg aufgewachsene Schauspieler.

Er hat in Kreuzberg sogar einen eigenen Friseurladen eröffnet, der nach der Hauptfigur benannt ist. Die Serie versteht er als Motor für Diversität in der deutschen Filmlandschaft: „Ich glaube, wenn sich jetzt mehr Migranten als Schauspieler an der „Ernst Busch“ bewerben, dann haben sie ‚4 Blocks‘ gesehen. Da kann uns die Schauspielschule Danke sagen, dass wir die Türen geöffnet haben.“

In der Männerwelt behaupten

Ein Jahr nach den bekannten Ereignissen ist Toni Hamady wieder völlig auf die dunkle Seite gewechselt und führt Krieg gegen einen verfeindeten Berliner Clan. Zudem geht es um dubiose Immobiliengeschäfte und Flüchtlinge. Die neue Staffel startet keine anderthalb Jahre nach der offiziellen TV-Premiere der ersten, für deutsche Verhältnisse ungewohnt schnell. Bei der Kinopremiere kann man zwischen den Zeilen immer wieder heraushören, dass es ein chaotischer Prozess für die Beteiligten gewesen sein muss.

Die Auftakt-Episoden überzeugen dann auch nicht durchgängig. Sie wirken gehetzt inszeniert, so viele Erzählstränge und Figuren müssen sie unterbringen. Wie die vorab zur Verfügung gestellten fünf Folgen zeigen, findet die Serie nach und nach zwar wieder ihre Mitte, trotzdem erhalten viele spannende Nebenhandlungen – vor allem die der interessanten Frauenfiguren, die sich in dieser männerdominierten Welt behaupten müssen – zu wenig Raum, während zu oft auf grimmige Gangster-Posen gesetzt wird. Dennoch bleibt „4 Blocks“ eine der außergewöhnlichsten deutschen Serienproduktionen.

10 Oct 2018

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Jens Mayer

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