taz.de -- Diskussion um Veränderung von Erbgut: Klöckner will neue Gentechnik

Die Landwirtschaftsministerin spricht sich dafür aus, Crispr/Cas weniger streng zu regulieren. Kritik kommt von SPD und Grünen.
Bild: Genetisch veränderte Lebensmittel: Das könnte Gesundheit und Umwelt schaden

BERLIN taz | Agrarministerin Julia Klöckner plant, gegen Einschränkungen von Crispr/Cas und anderen neuen Gentechnik-Methoden anzugehen. „Wir müssen eine Debatte führen, die wissenschaftsbasiert ist und nicht nach Stimmungen geht“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. „Die klassische grüne Gentechnik mit Crispr/Cas in einen Topf zu werfen, halte ich für sachlich falsch.“ Ob es zu Gesetzesänderungen komme, werde man sehen. Die Debatte sei nicht beendet.

Durch Crispr/Cas – auch bekannt als Genscheren- oder Mutagenese-Technologie – kann Erbgut gezielter als bisher verändert werden. Bei älteren Techniken wurden etwa mit einer Genkanone Gene in das Erbgut geschleust. Bei Crispr/Cas bauen zelleigene Reparatursysteme die DNA nach einer von Wissenschaftlern erstellten Vorlage um.

Befürworter hatten verlangt, solche Pflanzen mit rechtlich konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzusetzen. [1][Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verfügte] aber im Juli, dass Crispr/Cas-Pflanzen denselben restriktiven Zulassungsbestimmungen unterliegen müssen wie herkömmliche gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Das heißt: Sie müssen auf ihre Risiken für Mensch und Umwelt hin überprüft werden. Zudem müssen sie als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Wegen des Widerstands in der Bevölkerung bieten die meisten Läden solche Lebensmittel gar nicht erst an.

„Wir müssen achtgeben, dass wir nicht aus Luxuspositionen des Überflusses heraus in Europa eine neue Technologie vor die Tür setzen“, sagte Ministerin Klöckner nun. Die neue Technologie könne die Lösung für landwirtschaftliche Probleme werden. „Damit könnten beispielsweise [2][dürreresistente Pflanzen gezüchtet] werden.“

Grüne kritisieren Stimmungswandel

„Das Urteil des EuGH sollte auch die Bundeslandwirtschaftsministerin anerkennen“, sagte dagegen der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Matthias Miersch. Harald Ebner, Sprecher für Gentechnikpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, kritisierte, Klöckner habe zuvor vorgegeben, sich über die rechtliche Klarstellung des Gerichts zu freuen. Nun stimme Klöckner „nach kürzester Schamfrist voll ein in den Chor der Gentechnik-Lobby“. Dabei habe das oberste europäische Gericht lediglich eine Selbstverständlichkeit bekräftigt: „Dass auch neue Gentechnik Gentechnik ist und genauso behandelt werden muss.“ Das infrage zu stellen, untergrabe nicht nur das Vertrauen in europäische Institutionen, sondern ebne auch den Weg „für Verbrauchertäuschung durch verschleierte Gentechnik im Essen“.

Die Kritiker befürchten Gesundheitsrisiken durch Crispr/Cas und dass die neuen Pflanzen dazu dienen könnten, eine umweltschädliche Landwirtschaft fortzuführen.

6 Sep 2018

LINKS

[1] /EuGH-Urteil-ueber-Genome-Editing/!5525345
[2] /Was-kann-die-Gentechnik-Crispr-Cas/!5523322

AUTOREN

Jost Maurin

TAGS

Julia Klöckner
Schwerpunkt Gentechnik
CRISPR
Boris Johnson
Psychologie
Schwerpunkt Gentechnik
CRISPR
CRISPR

ARTIKEL ZUM THEMA

Programm von Premierminister Johnson: Nach Brexit mehr Agro-Gentechnik

Großbritanniens neuer Premierminister Boris Johnson will Anti-Gentechnik-Regeln abschaffen. Gegner warnen vor Schäden für Gesundheit und Umwelt.

Studie über Gentechnik-Gegner: Große Klappe, nichts dahinter

Eine psychologische Studie zeigt: Erbitterte Gentechnik-Feinde sind nicht nur häufig ignorant, sondern überschätzen auch ihr Wissen

EuGH-Urteil über Genome Editing: Natürliche (Gen-)Technik?

Das EuGH-Urteil schlägt hohe Wellen. Die Frage war, ob die neuen Methoden überhaupt als Gentechnik eingestuft werden dürfen.

Neue Gentechnik vor dem EuGH: Crispr-Cas unterliegt Auflagen

Neue Verfahren unterliegen grundsätzlich Auflagen nach der Gentechnik-Richtlinie der EU. Das entschied der Europäische Gerichtshof am Mittwoch.

Was kann die Gentechnik Crispr-Cas: Gemüse der anderen Art​

Mais, der Dürren übersteht? Mit Crispr-Cas lässt sich das Erbgut gezielt verändern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur neuen Gentechnik.