taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Was tun mit Trump?

Je stärker wir den US-Präsidenten als politischen Vollpfosten beschreiben, desto überzeugter werden seine Anhänger von ihm sein. Und dann?
Bild: Der US-Präsident, wie wir ihn am liebsten sehen. Als Witzfigur. Aber hilft das weiter?

Hier in Kalifornien reißen sie Witze, dass Donald Trump nachts so oft rausmuss und dabei so in Wut gerät, dass er die Tweets absetzt, die er absetzt. Derweil wird jeden Tag in der New York Times und anderswo herausgearbeitet, was für ein infantiler, lügender, politisch ahnungsloser, seine sozial schwachen Wähler betrügender und nur seinen persönlichen Stimmungen folgender Drecksack der demokratisch gewählte amerikanische Präsident ist.

Da können wir jetzt schöne Aufregungsrülpser machen bis 2024. Das bringt so wenig wie ironische Distinktion. Je intensiver Trump von unsereins wegen Xenophobie, Misogynie, Rassismus usw. angeklagt wird oder wegen Unfähigkeit verhöhnt, desto überzeugter sind viele Anhänger, dass sie mit ihm richtigliegen. Gerade, weil sie falschliegen. Sie dafür moralisch zu verurteilen ist, als wolle man einen Brand mit Feuer löschen.

Die entscheidende Frage lautet: Wie dann?

Man muss Trump anders verstehen, um wirklich eine Antwort geben zu können und nicht nur mit sich selbst zu sprechen. Der Ansatz, den ich zum Weiterdenken nutze, stammt von dem Pariser Soziologen Bruno Latour („Das terrestrische Manifest“). Demnach ist Trump nicht mehr Teil des guten alten Links-rechts-Spektrums. Bisschen mehr Arbeitnehmer, Emanzipation, Rock ’n’ Roll hier – bisschen mehr Arbeitgeber, Familie, Volksmusik dort. Aber er ist eben trotz der Verrohung und der Deliberalisierung auch nicht der Schritt nach rechts. Sondern der Schritt nach außen.

Das Projekt der Moderne und der Globalisierung ist nicht mehr auszubauen – weder als linkes noch als rechtes. Das entscheidende Problem ist die Erderhitzung. Und dafür haben beide Varianten keine politische Antwort.

Trump ist demnach nicht das Problem, sondern eine Folge.

Der entscheidende Punkt bei Trump ist für Latour das Abdriften in den vollständigen Illusionismus durch die Aufgabe des Pariser Klimaabkommens. Die Tendenz gab es bei den Republikanern schon lange, und man kann auch die Klimapolitik der Bundesregierung als illusionistisch bezeichnen, aber Trump hat eine andere Dimension: Er steht für Amerikas Rückzug aus der gemeinsamen Welt.

Und jetzt muss man dem britischen Brexit-Lavierer Corbyn zuhören und wird sagen müssen, dass er in der Tendenz „Gerechtigkeit“ für britische Passinhaber auf einem von Wasser umgrenzten Solidarraum anstrebt. Das ist „links“ im alten Sinne – und auch nicht mehr zukunftstauglich.

Wenn das zentrale Problem nicht das moralische Versagen ist, sondern der politische Rückzug in den totalen Illusionismus oder in illusionistische Ablenkungspolitik milderer Art wie bei Markus Söder und seiner CSU, dann kann die Antwort nur ein neuer Realismus sein.

Realistische Politik heißt den Klimawandel so ins Zentrum der Politik stellen, dass man damit Mehrheiten gewinnt und nicht nur eine moralische Elite. Der erste Schritt ist es, eine neue Kultur zu etablieren, die nicht Unterschiede zu anderen herausarbeitet, sondern das Gemeinsame. Das kann nur das Ökosoziale sein, denn ohne ist kein Gerechtigkeitsproblem zu lösen. Ohne das Ökosoziale kann man auch keinen Boden verteidigen. Nur bluten.

Andersdenkende für etwas zu gewinnen darf nicht mehr als Abstieg aus dem moralischen Olymp diffamiert werden. Die „Haltung“, die wirklich Change bringt, ist die Feinfühligkeit, Allianzen mit Andersdenkenden zu schließen, die wir im alten Denken als schlimme Arschlöcher aburteilen. Wenn wir das nicht mal mit Christian Lindner hinkriegen, können wir den Laden zumachen.

26 Aug 2018

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Peter Unfried

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