taz.de -- EU-Kommission will 4,3 Milliarden Euro: Rekordstrafe für Google

Die EU-Kommission verhängt wegen Missbrauchs der Marktmacht eine Strafe von 4,3 Milliarden Euro gegen den Internetkonzern. Google will Einspruch einlegen.
Bild: Übermächtiger Internetkonzern? Nö, sagt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager

Brüssel dpa/reuters | Die EU-Kommission verhängt gegen Google wegen des Missbrauchs der Marktmacht beim Smartphone-System Android eine Rekordstrafe in Höhe von rund 4,3 Milliarden Euro. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus informierten Kreisen. Es ist die [1][bisher höchste Kartellstrafe aus Brüssel für ein einzelnes Unternehmen.]

Auf die Rekordstrafe von rund 4,3 Milliarden Euro können weitere hohe Zahlungen folgen, wenn Google sein Verhalten nicht binnen 90 Tagen ändere, erklärte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Mittwoch in Brüssel. Google will Einspruch gegen die Milliardenstrafe der EU-Kommission einlegen. Das kündigte der Internetkonzern am Mittwoch an.

Laut Medienberichten will die Kommission neben der Milliarden-Strafe auch Änderungen an Googles Geschäftsmodell bei Android durchsetzen. Android ist das meistbenutzte Smartphone-System der Welt. Die Software bringt in Europa laut Marktforschern rund 80 Prozent der derzeit verkauften Computer-Telefone zum Laufen.

Die Kommission hatte das Android-Verfahren im April 2015 aufgenommen und dem Internet-Riesen ein Jahr später den Missbrauch einer marktbeherrschenden Position vorgeworfen. Google und der Mutterkonzern Alphabet weisen die Vorwürfe zurück.

Android wird bei Google entwickelt, ist kostenlos für Geräte-Hersteller und kann von ihnen auch abgewandelt werden. Aber es gibt Einschränkungen, wenn sie Google-Apps wie GMail oder Maps auf die Geräte bringen.

Drei Vorwürfe

Die Kommission stört sich unter anderem daran, dass Hersteller von Android-Smartphones, die Google-Dienste einbinden wollen, immer ein komplettes Paket aus elf Apps des Internet-Konzerns auf die Geräte bringen müssen.

So kämen zum Beispiel auch Googles Browser Chrome und die Google-Suche auf die Geräte, selbst wenn ein Hersteller zum Beispiel nur die App-Plattform Play Store installieren wollen würde. Google kontert, ein Mindestangebot an Apps sei nötig, weil Nutzer Google-Dienste sonst nicht vernünftig einsetzen könnten.

Außerdem kritisiert die Brüsseler Behörde die sogenannte „Anti-Fragmentierungs-Vereinbarung“, gemäß der Anbieter von Geräten mit Google-Diensten nicht gleichzeitig auch Smartphones mit abgewandelten Android-Versionen verkaufen können. Der dritte Vorwurf der Kommission dreht sich darum, dass Google die Erlöse aus Werbung in der Such-App nur mit Geräte-Herstellern teile, wenn sie auf den Telefonen und Tablets Exklusivität genieße.

Alles in allem sieht die Kommission in dem Vorgehen des Konzerns einen Versuch, die Marktposition seiner Online-Angebote auf Mobil-Geräten aud unfaire Weise gegen andere Dienste-Anbieter abzusichern.

Zweites Kartellverfahren gegen Google

Das einzige relevante andere Mobil-Betriebssystem ist die iOS-Plattform von Apples iPhones. Konkurrenz-Systeme wie Microsofts Windows Phone oder die Blackberry-Software hatten den Wettbewerb verloren.

Mit der Ausbreitung der Smartphones wird die Nutzung von Onlinediensten wie der Internet-Suche oder der Videoplattform YouTube auf Mobilgeräten zu einer immer wichtigeren Erlösquelle für Google.

Mit 4,3 Milliarden Euro würde Google sogar mehr zahlen müssen als ein Lastwagen-Kartell mehrerer Hersteller, das mit 3,8 Milliarden Euro zur Kasse gebeten worden war. Das Geld aus Kartellstrafen geht in den EU-Haushalt – die Fälle gehen aber oft jahrelang durch Gerichtsinstanzen.

Der Android-Fall ist das zweite Brüsseler Kartellverfahren gegen Google [2][nach der Shopping-Suche], in einem dritten geht es um den Dienst „AdSense for Search“, bei dem andere Internetseiten Google-Suchmasken einbinden können. Unter anderem schränke der Konzern die Möglichkeiten dieser Anbieter ein, auch Werbung von Googles Rivalen anzuzeigen, befand die Kommission.

18 Jul 2018

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