taz.de -- Gastkommentar Bewegung „Aufstehen“: Sozialdemokratischer Aufguss
Sahra Wagenknechts „Aufstehen“ ist eine Bewegung ohne Bewegte. Inhaltlich bleibt der Aufruf weit hinter den Positionen der Linken stehen.
„Wir wollen sammeln, nicht spalten“, hat Sahra Wagenknecht in einem Interview über ihre neugegründete Sammlungsbewegung „Aufstehen“ gesagt. Mit Goethe will man antworten: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Euphorie ist bei vielen Linke-Mitgliedern kaum zu spüren. Auch, weil Wagenknecht Anfang des Jahres noch eine neue „linke Volkspartei“ forderte und trotz aller gegenteiliger Beteuerungen das Gefühl bleibt, dass mit „Aufstehen“ eine neue Partei entstehen könnte.
Nahezu im Wochentakt gehen in Deutschland Menschen auf die Straße: für bezahlbare Mieten, gegen den Pflegenotstand, für den Kohleausstieg, gegen neue Polizeigesetze und den wachsenden Rechtspopulismus und für ein Ende des Sterbens im Mittelmeer. Mit all dem hat „Aufstehen“ nichts zu tun. Es ist eine „Bewegung“ ohne Bewegte. Ausgetüftelt am Reißbrett im Hinterzimmer, vor allem durch ParteipolitikerInnen.
Wohl einzigartig ist, dass man sich auf der Webseite als Unterstützer eintragen kann, obwohl es bisher keinen Aufruf gibt. Was man so an Inhalten hört, ist allenfalls ein schwacher sozialdemokratischer Aufguss, der weit hinter den Positionen der Linken zurückbleibt. Zum Thema Flüchtlingspolitik heißt es, man wolle weder die „Ressentiments der AfD“ noch eine „grenzenlose Willkommenskultur“. Hier wird rechts und links auf eine Stufe gestellt. Inhaltlich reiht sich das in Wagenknechts fortwährende Positionierung ein, offene Grenzen seien „weltfremd“.
Angesichts des Rechtsrucks in Deutschland ist dies alles fatal – gerade jetzt wäre ein konsequenter Kampf gegen Rassismus so wichtig. Und es führt dazu, dass bei „Aufstehen“ auch Menschen zeichnen, die mit vielen AfD-Positionen kein Problem haben.
Am Ende bleibt die Sorge, dass Wagenknechts Projekt mehr spaltet, als es Gutes bewirkt. Ohne Zweifel muss Die Linke mehr tun, um Menschen, die gesellschaftliche Verbesserungen wollen, zu gewinnen. Dafür müssen alle Linke-PolitikerInnen eintreten – und zwar gemeinsam.
8 Aug 2018
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Fans von Sahra Wagenknecht wollen eine Bewegung, in der man nicht so viel Energie gegen Rechts aufwendet, sondern sich vorwärts bewegt. Endlich!
Diether Dehm will „Aufstehn“ für Sahra Wagenknecht neu aufsetzen. Was sagt es über die Bewegung, dass ein 38 Jahre altes Lied zur Hymne werden soll?
Sahra Wagenknechts Bewegung soll sich an von der Politik frustrierte Bürger richten, auch an AfD-Wähler. Es gebe bereits viele Anmeldungen, sagt Oskar Lafontaine.
Wagenknechts Bewegung will mehr soziale Gerechtigkeit. Und macht in simpel gestricktem Anti-Imperialismus. Mehr gibt's außenpolitisch zurzeit nicht.
Was aus Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung wird, ist noch offen. Die PR ist aber schon mal gut gelungen. Sehr gut sogar.
Jetzt ist es offiziell: Die Linke-Fraktionschefin kündigt für den 4. September den Start ihrer Sammlungsbewegung an.