taz.de -- Kommentar EU-Asylpläne: Die EU kauft sich Zeit
Die neuen EU-Pläne zur Verteilung von Flüchtlingen zögern nur den Konflikt hinaus: Weiterhin ist ungeklärt, wer wie viele Menschen aufnimmt.
In der wohl brennendsten Frage, für die die EU zuständig ist, kommt sie keinen Schritt voran: Seit [1][Italiens Rechtsregierung] auf der einen und [2][Österreich und die Visegrád-Staaten] auf der anderen Seite den Ton angeben, ist jede Hoffnung auf ein Verteilungssystem für Flüchtlinge dahin. Abhilfe schaffen sollen nun sogenannten Kontrollzentren.
Die EU will dafür Beamte aus den Mitgliedsstaaten zusammenziehen und diese Schnellverfahren durchführen lassen. Ein paar Asylbeamte entsenden tut keinem Mitgliedstaat weh, selbst die Osteuropäer dürften dafür zu haben sein.
Viel entscheidender ist die Frage, wo die Leute danach hinsollen. Die EU baut darauf, dass [3][Staaten sich freiwillig melden, und bietet denen dafür 6.000 Euro]. Das wird nicht helfen. Der letzte Versuch, Flüchtlinge innerhalb der EU umzuverteilen, geriet zur entsetzlichen Hängepartie. Und die Bereitschaft, Flüchtlinge freiwillig aufzunehmen, ist seither fast flächendeckend gesunken, von wenigen Ausnahmen wie Spanien und Portugal abgesehen. Zwangsweise verteilen kann sie sie auch nicht, der Block um Österreichs Kanzler Kurz würde die Konfrontation nur zu gerne ausfechten. Am Ende müssen die anerkannten Flüchtlinge wohl doch wieder nach der Dublin-Regel verteilt werden.
Ähnlich ist es mit den ebenfalls schon länger ventilierten Überlegungen, [4][Flüchtlinge vor dem Asylverfahren direkt nach Nordafrika] zu bringen. Auch hier gibt es [5][kein einziges Land, das bislang irgendeine Neigung gezeigt hätte, dabei mitzuspielen]. Für die Flüchtlinge ist das eine gute Nachricht: Denn sie hätten dort keinen Zugang zu einem regulären Asylverfahren und wären darauf angewiesen, freiwillig von EU-Staaten aufgenommen zu werden. Wie die Aussichten dafür sind – siehe oben.
Die EU aber wird an den Ideen von „Kontrollzentren“ in Europa und „regionalen Ausschiffungsarrangements“ in Afrika festhalten. Denn beides hat für sie einen riesigen Vorteil: Sie nehmen den Druck in der völlig ungeklärten Verteilungsfrage vorübergehend raus.
30 Jul 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Trotz seines effektiven Grenzregimes begegnet Spanien Geflüchteten mit gewisser Offenheit. Das Land könnte ein Gegenpol zu Europas Hardlinern sein.
Frankreich hat die Grenze nach Italien 2015 für Geflüchtete geschlossen. Im Küstenort Ventimiglia warten seither die Ausgesperrten.
In Papieren, die der taz vorliegen, nennt Brüssel Details für Lager in und außerhalb der EU. Staaten, die freiwillig aufnehmen, sollen Geld erhalten.
Europa sperrt Menschen in Lager und beansprucht das Privileg der Bewegungsfreiheit für sich. Mit welchem Recht eigentlich?
Beim Krisengipfel zur Flüchtlingspolitik in Brüssel konnte Merkel keinen Erfolg verbuchen. Statt um Solidarität ging es um Abschottung mit allen Mitteln.