taz.de -- Kunsthochschulen laden zum Rundgang: Kauft Kunst!
Was macht eigentlich der Nachwuchs? Umschauen in der Kunsthochschule Weißensee kann man sich am Wochenende und nächste Woche in der UdK.
Die Kunst. Kann man schon mit leben. Einer, der es geschafft hat, ist zum Beispiel Gerhard Richter. Im Museum Barberini in Potsdam sind derzeit Arbeiten des 86-jährigen Malers zu sehen. Der ist selbst für viele, die sich vielleicht gar nicht sonderlich für Kunst interessieren, bereits deswegen ein Begriff, weil Richter eben als der teuerste Gegenwartskünstler Deutschlands gilt. 2015 wechselte bei einer Auktion bei Sotheby’s eines seiner Werke für über 46 Millionen Dollar den Besitzer. Ein Rekordwert.
Das allerdings ist nur die oberste Spitze des Eisbergs, dessen größter Teil aber, man weiß es, unterhalb der Wasseroberfläche liegt. Und da geht es wenig heimelig zu. Die Zahlen dazu wurden kürzlich vom Institut für Strategieentwicklung (Ifse) vorgelegt. In dessen in Kooperation mit dem Berufsverband bildender Künstler*innen erstellter [1][Studie] kann man nachlesen, wie prekär die wirtschaftliche Lage bildender KünstlerInnen in Berlin ist. Dass etwa nur knapp über 20 Prozent der Kunstschaffenden überhaupt von ihrer Arbeit leben können, während sich der Großteil die eigene Kunst eigentlich gar nicht leisten kann.
Etwa 8.000 professionelle KünstlerInnen gibt es in der Stadt. Und die allermeisten davon, über 70 Prozent, haben einen Abschluss an einer staatlichen Kunsthochschule absolviert.
Zynischerweise könnte man also bei diesen Institutionen auch von Ausbildungsbetrieben für prekär Beschäftigte sprechen. Was aber bestimmt nicht der vordringlichste Gedanke bei denen ist, die überhaupt erst einen Platz an einer Kunsthochschule ergattert haben. Wer will sich schon ständig damit beschäftigen, dass die Kunst letztlich auch vom Kaufen kommt, wenn man zuerst noch herausfinden muss, was Kunst für einen selbst sein könnte?
Von den derzeit insgesamt 850 Studierenden in der Kunsthochschule Weißensee haben sich 210 für die bildende Kunst entschieden, 780 von den knapp 3.800 Studierenden sind es an der Universität der Künste (UdK).
Vorbereitung auf den Markt
Im Betrieb der Universität ist es dann von Klasse zu Klasse unterschiedlich, so Claudia Assmann von der UdK-Pressestelle, wie die Studierenden auch auf den Markt vorbereitet werden. Manche Lehrende versuchen, sie bereits während des Studiums an ihn heranzuführen. Und andere tun das gerade nicht, weil sie in ihren Klassen den Studierenden einen wirklichen Freiraum geben wollen, in dem sie erst ihre eigenständigen Positionen finden können.
Auch die finden dann ja mit dem seit 2001 an der UdK bestehenden Career & Transfer Service Center (CTC) eine Art Begleitschutz, wo man in Workshops und mit Beratung etwa lernen kann, was eigentlich ein Businessplan ist. Oder – so schlicht wie grundlegend – wie man es schafft, in die Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden, damit man sich wenigstens um die Krankenversicherung keine Sorgen mehr zu machen braucht.
Das Angebot des CTC steht auch den Studierenden und Alumni der anderen künstlerischen Hochschulen Berlins offen, also auch denen der Kunsthochschule Weißensee. Dazu versucht man dort noch mit einem eigenen Programm, den Übergang von der Ausbildung in die Praxis zu erleichtern. Erstmals, wie gerade verkündet wurde, kann die Hochschule dabei ihren AbsolventInnen sogar geförderte Atelierplätze anbieten.
Tage der offenen Tür
Jetzt zum Semesterende hat auch die Öffentlichkeit wieder die Gelegenheit zu gucken, was da in den Hochschulen so an Kunst entsteht. In diesem Jahr sind die jeweiligen Tage der offenen Tür auch mal schön entzerrt, sodass man gar nicht erst in einen Konflikt kommt, wo man sich nun hinwenden soll. An diesem Wochenende lädt man in der Kunsthochschule Weißensee zum jährlichen Rundgang. Die Woche darauf darf man in der UdK in die Werkstätten, Ateliers und Studios gucken.
Rundgänge, die natürlich auch Marktplätze sind. Wo man sondiert, was sich beim künstlerischen Nachwuchs tut, mit dem man bei dieser Gelegenheit meist noch dazu ins Gespräch kommen kann. Oder sogar einfach mal Kunst kaufen.
So viel wie für einen Richter, dessen darf man sich sicher sein, muss man da ganz bestimmt nicht investieren. Und Leben mit Kunst, das hat schon was.
14 Jul 2018
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