taz.de -- Peru während der WM: Euphorie statt Krisenstimmung

Die Peruaner fiebern mit ihrer Nationalmannschaft. Ihre Begeisterung lässt die Führungsschwäche des Präsidenten vergessen.
Bild: So freut sich der Peruaner

Cuzco taz | Die Großbildleinwand in Cuzco steht, die Vorfreude ist immens, und in den Straßen der peruanischen Metropole gibt es nur ein Thema: „Schaffen wir es gegen Frankreich, wird Paolo von Beginn an spielen und uns weiterbringen“, so Jessica Mamani. Paolo ist Kapitän der „Bicolor.“ Auf ihn setzten viele Peruaner ihre Hoffnungen, denn schließlich ist der 34-Jährige der Rekordtorschütze der Mannschaft. Guerrero ist bei der Niederlage gegen die Dänen (0:1) erst spät eingewechselt worden, hatte zwei, drei gute Aktionen, aber wie der Rest der „Blanquirroja“ kein Glück.

Im Trainingsspiel gegen die eigene U 20 sah das schon anders aus, da traf das Raubtier, so der Künstlername Guerreros. Millionen Peruaner drücken Guerrero die Daumen und hoffen, dass ihn Perus Trainer Ricardo Gareca in die Startelf beruft. Der exzentrische Coach hat aus der Mannschaft ein gut funktionierendes, laufstarkes Kollektiv geformt, das auch gegen die Dänen offensiv Akzente setzte. Das soll nun auch gegen das offensivstarke Frankreich gelingen, zumal sich Peru gegen Dänemark auch hinten sattelfest präsentierte.

Alles andere als sattelfest präsentiert sich hingegen die Regierung von Präsident Martín Vizcarra. Der gibt sich redlich Mühe, die Euphoriewelle, die durch die erste Qualifikation für eine Weltmeisterschaft seit 36 Jahren entstanden ist, für seine Regierung zu nutzen. Das gefällt allerdings nicht allen Peruanern: „Wir leben unter einer Wolke der Euphorie, die die politischen Probleme Perus derzeit quasi unsichtbar macht“, kritisiert Lavinia Pérez Mamani. Die junge Frau arbeitet in einem Restaurant in Cuzco und gehört zu einer jungen, kritischen Generation, die alles andere als zufrieden ist mit der politischen Krise, die Peru seit Jahren begleitet.

„Korruption und die faktische Blockade des Parlaments prägen das Land“, ärgert sich die Frau Anfang dreißig. Das interessiert angesichts der WM, die medial bis ins letzte Detail ausgeschlachtet wird, allerdings nur einen Teil der Bevölkerung. Doch würde ein realistisches frühes Ausscheiden der „Bicolor“ gleich für doppelte Katerstimmung sorgen. Die WM-Euphorie würde verpuffen und den Blick wieder auf die Führungsschwäche des Präsidenten lenken. Einen ersten Vorgeschmack darauf geben die jüngsten Umfragen, die Präsident Martin Vizcarra sinkende Beliebtheitswerte bescheinigen – von 50 Prozent Zustimmung ist sie auf 35 Prozent abgesackt. Trotz aller WM-Euphorie.

21 Jun 2018

AUTOREN

Knut Henkel

TAGS

Frauen-WM 2019
WM-taz 2018: Auf dem Platz
Peru
Südamerika
Frauen-WM 2019
Frauen-WM 2019
Fußball

ARTIKEL ZUM THEMA

Kritischer Journalismus in Südamerika: Investigativ? Nicht in Peru

Eine Redaktion berichtet über Korruption, plötzlich steht die Staatsanwaltschaft im Büro. Der Investigative Journalismus in Peru ist in der Krise.

Dänemark trifft auf Frankreich: Ein Schuss, ein Tor, die Dänen

Sie spielen Fußball auf dem neuesten Stand: Mit einem Unentschieden gegen Frankreich stünden die Dänen im Achtelfinale.

Gruppe C: Peru – Dänemark: Dänen siegen sich hyggelig

Dänemark schlägt Peru mit 1:0. Der beste Däne stand im Tor. Peru verschießt einen Elfer und hat es nun schwer, das Achtelfinale zu erreichen.

Peru und die Fußball-WM: Das Raubtier darf nach Russland

Perus Fußball hatte nur eine Hoffnung für die WM: Paolo Guerrero. Doch der Torjäger war gesperrt. Nun fährt er doch, und das Land jubelt.