taz.de -- Kommentar VW-Milliarde: Das falsche Land
Niedersachsen und VW sind nicht nur über die Staatsbeteiligung verbandelt. Nun profitiert das Land von einem Betrug, den es mit zu verantworten hat.
Verbrechen darf sich nicht lohnen: Das ist nicht bloß ein Rechtsprinzip, sondern zivilisatorischer Grundsatz schlechthin. Wer dafür sorgt, dass jemand materiellen Vorteil aus seinem gesellschaftsschädlichen Handeln zieht, der untergräbt Gesellschaft an sich. Gemessen daran ist es ein Problem, dass ausgerechnet [1][Niedersachsen das Milliarden-Bußgeld von VW erhält] und nicht alle Länder, in denen Bürger*innen durch Dieselabgase geschädigt werden: Wenn es den Länderfinanzausgleich [2][nicht noch ausdünnt], weil Bußgelder steuerrechtlich eigentlich [3][nicht als Betriebsausgaben absetzbar sind], wäre das das Beste, was sich gesamtstaatlich über diese Strafe sagen lässt.
Klar, der Braunschweiger Staatsanwaltschaft blieb nichts anderes übrig. Mangels eines Unternehmensstrafrechts war das Bußgeldverfahren die einzige Möglichkeit, den Konzern zur Rechenschaft zu ziehen. Und dass derartige Einnahmen in die Landeskasse fließen, ist eine für sich genommen gute Regel. So profitiert Bremen fast schon regelmäßig von Bußgeldern der notorisch korrupten Rüstungskonzerne, die sich dort angesiedelt haben.
Beim Braunschweiger Milliardenbußgeld ist das anders. Der Konzern hat nicht nur seinen Sitz in Wolfsburg. Er ist Niedersachsen: Die gesetzlich geschützte Staatsbeteiligung von 20 Prozent, die zwei Aufsichtsratsmandate, die skandalisierte Abstimmung des Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) über Inhalte seiner Regierungserklärungen zum Dieselskandal und sein Lobbying gegen Fahrverbote, das der VW-Aktie nützt, bestätigen das immer wieder.
Die Folgekosten des Betrugs tragen alle gemeinsam. Das Geld sackt jedoch das Land ein, das auch die dank Betrügereien erwirtschafteten Höchstdividenden bis 2014 kassiert hat, an die VW mittlerweile fast wieder anknüpft. Und in den mit der Milliarde machbaren Wohltaten wird sich ein Ministerpräsident sonnen, der als Aufsichtsrat weniger kontrolliert als Schmiere gestanden hat: Der falsche Mann. Und das falsche Land.
26 Jun 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das Bundesverfassungsgericht lehnt Klagen von VW und Anwälten ab. „Interne Ermittlungen“ seien nicht gegen Beschlagnahme geschützt.
Das Bußgeld, das VW an Niedersachsen zahlen musste, verteilt Ministerpräsident Stephan Weil nun im eigenen Land. Schleswig-Holstein hätte gern etwas davon abgehabt.
Der VW-Fall zeigt, dass Feststellungsklagen sinnvoll sind. Jetzt muss sich in der Praxis zeigen, was funktioniert und was nicht.
VW habe seine Aufsichtspflicht verletzt, befindet die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Nun muss der Konzern eine Rekordsumme zahlen.
Die Staatsanwaltschaft verhängt wegen des Abgasskandals ein gigantisches Bußgeld gegen VW. Der Konzern will dagegen keine Rechtsmittel einlegen.
Das Bundeskartellamt hätte Hinweise auf Absprachen in der Autoindustrie haben müssen. Dass die Politik nichts wusste, ist unplausibel.
Der Autohersteller hat Bußgeld- und Strafzahlungen in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar ausgehandelt. Der Deal würde allerdings auch ein Schuldgeständnis bedeuten.