taz.de -- Kommentar Frauenfahrverbot: Der Prinz der Frauen
Frauen dürfen in Saudi-Arabien jetzt Auto fahren. Doch die gesellschaftliche Liberalisierung soll nicht mit einer politischen Öffnung einhergehen.
Frauen dürften nicht Auto fahren, weil sie dann ihre Eierstöcke schädigten, ihre Jungfräulichkeit verlören, dem Teufel anheimfielen und in Prostitution oder Homosexualität abrutschten. Außerdem könnten sie es auch gar nicht, denn ihr Intellekt sei nur halb so groß wie der eines Mannes. Wenn man sich vor Augen führt, mit welchen Argumenten führende Geistliche in Saudi-Arabien noch bis vor Kurzem das Frauenfahrverbot begründet haben, dann wird deutlich, welche symbolische Bedeutung Frauen hinterm Steuer für das Land haben.
[1][Seit Sonntag dürfen sie genau dort sitzen]. Das ist nicht nur ein historischer Tag, sondern eine soziale Revolution. Aber es ist eine Revolution von oben. Die Frauenrechtlerinnen, die jahrelang für eine Aufhebung des Verbots gekämpft haben, [2][wurden vorsichtshalber verhaftet] oder auf andere Weise mundtot gemacht. Die gesellschaftliche Liberalisierung Saudi-Arabiens soll nur einen Helden haben: den neuen De-facto-Herrscher Kronprinz Mohammed Bin Salman – genannt MBS.
Und: Sie soll nicht mit einer politischen Öffnung einhergehen. Die absolute Monarchie bleibt bei diesem Prozess nicht nur unangetastet, sie wird durch ihn sogar gestützt werden. Kino, Konzerte und mehr persönliche Freiheiten dämpfen den Frust, den gerade die junge Generation plagt. Es ist die Antwort von MBS auf die geforderte Modernisierung und gleichsam die Lehre, die man in Riad aus dem „Arabischen Frühling“ gezogen hat.
MBS ist beliebt bei seinen jungen Untertanen. Doch während er sich als Prinz der Frauen einen Namen macht und jenen in kurzer Zeit mehr Bürgerrechte gewährt hat – von seinen Gnaden selbstverständlich –, wird es gleichzeitig für AktivistInnen immer gefährlicher, sich für Bürgerrechte einzusetzen. Saudi-Araberinnen sind beispielsweise allesamt Mündel eines männlichen Verwandten, sie werden ein Leben lang nicht als Erwachsene behandelt. Frauenrechtlerinnen in Saudi-Arabien wollen nicht nur Auto fahren, sondern ein Ende der männlichen Vormundschaft. Erst damit wäre die Revolution vollendet.
24 Jun 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Hinter dem gesellschaftlichen Liberalisierungskurs des Kronprinzen wird ein Muster sichtbar: Riad erprobt das chinesische Herrschaftsmodell.
Dass Saudi Arabien den kanadischen Botschafter rauswirft, klingt nach Kurzschluss. Doch es ist ein durchdachter Zug mit klarer Botschaft.
In Saudi-Arabien hatten Frauen lange absolut nichts zu sagen. Nun scheint es im erzkonservativen Königtum einen Aufbruch zu geben.
Die Wissenschaftlerin über die feministische Spaßverderberin als Figur, sexistische Strukturen und den befreienden „Snap“.
Sonntag wurde das Fahrverbot aufgehoben. Viele Frauen trauen sich ans Steuer und bewerben sich als Taxifahrerin. Etwas trübt jedoch die Freude.
Russland unterliegt Uruguay mit 0:3. Ägypten um den enttäuschenden Superstar Mo Salah verliert in letzter Sekunde gegen Saudi-Arabien.
In Saudi-Arabien wird das Fahrverbot für Frauen aufgehoben. Doch die jüngste Verhaftung von Frauenrechtlerinnen zerstört den Optimismus.
Mohammed bin Salman verkörpert den brutalen Machtanspruch der Dynastie. Er ist bei der Jugend beliebt, gilt aber regional als Scharfmacher.
Mit einem Aktionstag wollten Frauen in Saudi-Arabien gegen das Fahrverbot protestieren. Druck der Behörden stoppte die Initiative. Einige Frauen fuhren trotzdem.