taz.de -- Kommentar Bayerns Flüchtlingspolitik: Ein Europa der Grenzen

Wird sich die CSU bei der Abweisung von Flüchtlingen durchsetzen können? Das könnte ein Europa mit Binnengrenzen auf Jahrzehnte verstetigen.
Bild: Alleine kann Italien die europäische Asylpolitik nicht schultern

„Wer in einem anderen EU-Staat bereits registriert wurde, [1][muss an der Grenze zurückgewiesen] werden.“ Das fordert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dies sei auch Inhalt des „Masterplans für Migration“, den Innenminister Horst Seehofer (CSU) kommende Woche vorstellen will. FDP-Chef Christian Lindner hält das Ganze für eine „Selbstverständlichkeit“.

Das ist aber falsch, das Gegenteil ist richtig. Diese Forderung droht nicht nur die Asylpolitik der Großen Koalition zu sprengen, sondern würde ein Europa ohne Binnengrenzen auf Jahrzehnte verunmöglichen.

Die Vorstellung, man könne Flüchtlinge einfach an der deutschen Grenze zurückweisen, ist die große Gemeinsamkeit von CSU und AfD. Horst Seehofer hat schon 2016 von einer „Herrschaft des Unrechts“ gesprochen, weil es diese Zurückweisungen nicht gibt. Die Alternative für Deutschland wiederholt diesen Vorwurf seitdem stereotyp.

Nur zur Klarstellung: Wer an der deutschen Grenze Asyl beantragt, wird in Deutschland erst einmal aufgenommen. Dann wird in einem geordneten Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung geprüft, welcher Staat der Europäischen Union für das Asylverfahren zuständig ist. Anschließend wird der Antragsteller in den entsprechenden Staat überstellt, zum Beispiel nach Italien – oder Deutschland übernimmt das Asylverfahren.

Zurückweisungen an der Grenze führen eben nicht dazu, dass Asylantragsteller anschließend im zuständigen Staat landen. Denn das wäre in einem Fall etwa Italien, nicht Österreich. Schon deshalb ist Dobrindts Behauptung falsch, er setze nur die europäische Rechtslage um. Stattdessen würden deutsche Grenzzurückweisungen dazu führen, dass nun alle EU-Staaten auch an ihren Grenzen Flüchtlinge einfach zurückweisen.

Doch Italien kann die europäische Asylherausforderung nicht allein schultern. Das hat bisher zumindest Bundeskanzlerin Angela Merkel verstanden. An dieser Frage wird sich zeigen, ob sie in der Koalition noch das Sagen hat.

6 Jun 2018

LINKS

[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/alexander-dobrindt-will-fluechtling

AUTOREN

Christian Rath

TAGS

Alexander Dobrindt
Asylpolitik
Abschiebung
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Afghanistan
Asylpolitik
Abschiebung
Alexander Dobrindt

ARTIKEL ZUM THEMA

Streit um Flüchtlingspolitik in der Union: Das Zeug zum Koalitionsbruch

Darf der Staat Flüchtlinge an der deutschen Grenze abweisen? Kanzlerin Merkel ist dagegen, ihr Minister Seehofer dafür. Die CSU gibt sich stur.

Abschiebungen nach Afghanistan: „Klassische Ziele der Taliban“

Kanzlerin Merkel will den Abschiebestopp nach Afghanistan aufheben. Ein interner Bericht zeigt, wie gefährlich die Lage für Rückkehrer ist.

Söder stellt Asylplan vor: Abschiebung mit Air Bavaria

Bayerns Ministerpräsident will in Eigenregie Flüchtlinge ausfliegen lassen. Und er plant im Alleingang an sieben Standorten Ankerzentren.

Nach Äußerung von Alexander Dobrindt: Das ist die Anti-Abschiebe-Industrie

Der CSU-Landesgruppenchef verunglimpft Menschen, die sich für die Interessen von Geflüchteten einsetzen. Die taz hat mit Helfenden gesprochen. Vier Protokolle.

Nach Äußerungen über Abschiebungen: Strafanzeige gegen Dobrindt

Zwei Anwälte haben Anzeige gegen den CSU-Politiker erstattet. Dessen Aussagen über eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ seien verleumderisch und beleidigend.