taz.de -- Nach Polizeieinsatz in Unterkunft: Togoer aus Ellwangen abgeschoben
Der 23-Jährige saß seit dem Polizeieinsatz in der Asylunterkunft Anfang Mai in Abschiebehaft. Nun wurde er nach Italien ausgeflogen.
Berlin taz | Die Bundespolizei hat den Togoer Yussif O. nach Italien abgeschoben. Der 23-Jährige war bei der aufsehenerregenden Razzia [1][am 3. Mai] in der Landesaufnahmeeinrichtung Ellwangen verhaftet worden. Seither befand sich O. im Abschiebegefängnis Pforzheim. Gegen fünf Uhr früh am Dienstag hatten Polizisten ihn dort abgeholt und zum 160 Kilometer entfernten Frankfurter Flughafen gefahren. Um 9.10 Uhr startete von dort der Alitalia-Flug AZ 413 nach Mailand-Linate mit O. an Bord.
„Es gab keine Probleme, er hat sich nicht gewehrt“, sagte Gräfin Anne von Moltke, Referentin der Caritas-Abschiebebeobachtung am Flughafen Frankfurt. O. sei am Morgen zum Rückführungsbereich des Flughafens gebracht worden. Sein Anwalt sei nicht vor Ort gewesen. Sie gehe davon aus, dass wie üblich zwei Beamte der Bundespolizei O. nach Italien begleitet hätten. Ein Sprecher der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen bestätigte, dass Polizeibeamte mit O. nach Mailand geflogen und er dort Beamten der italienischen Polizei übergeben wurde.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) feierte den Vollzug von O.s Abschiebung. „Die Ausländerbehörden und die Polizei haben hervorragend gearbeitet“, sagte Strobl. „Der Rechtsstaat lässt sich nicht davon abhalten, Recht und Gesetz durchzusetzen.“
Das Bundesverfassungsgericht [2][hatte am Montag entschieden], dass O.s Verfassungsbeschwerde gegen seine Abschiebung „mangels ausreichender Begründung unzulässig“ sei. Engin Sanli, der türkischstämmige Anwalt des Flüchtlings, hatte in Karlsruhe Klage eingereicht und wollte damit die Abschiebung verhindern.
Drohanrufe und Hass-Mails
Sanli war daraufhin massiv bedroht und beschimpft worden, [3][berichtete die] Stuttgarter Zeitung. Er habe Drohanrufe und bis zu 4.000 Hass-Mails am Tag bekommen. „Ihr gehört alle nach Hause, besonders die, die einen Terroristen verteidigen, elendes Pack“, habe es darin unter anderem geheißen. „Drecksau, raus mit dir aus Deutschland“, schreibt ihm ein anderer. „Wenn die AfD an der Macht ist, wirst du abgeholt.“
Zuvor hatte der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“ beklagt, die die Bemühungen des Rechtsstaats sabotiere. „Die Anti-Abschiebe-Industrie nutzt die Mittel des Rechtsstaats, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen“, so Dobrindt.
Bei einer Konferenz des Migrationsforschernetzwerks „kritnet“ am Wochenende in Göttingen war eine Delegation der Flüchtlinge aus Ellwangen hingegen mit Standing Ovations empfangen worden. Dutzende TeilnehmerInnen ließen sich mit ihnen und Schildern mit der Aufschrift „Anti-Abschiebe-Industrie“ fotografieren. „Was in Ellwangen geschah, war gelebte Solidarität“, sagte Newroz Duman, die Sprecherin des Netzwerks „Welcome United“.
15 May 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Auch Wohnräume in Flüchtlingsunterkünften darf die Polizei nicht ohne Durchsuchungsbefehl betreten. So sieht es das Amtsgericht.
Die „Bild“ berichtet über den geflüchteten Alassa M. und verdreht Tatsachen. M. befürchtet Angriffe. Sein Anwalt geht gerichtlich dagegen vor.
Im Mai stürmte die Polizei eine Unterkunft in Ellwangen, mehrere Bewohner sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Einer stand am Mittwoch vor Gericht.
Demonstranten versuchten die Abschiebung eines Flüchtlings zu verhindern. Der Fußballer aus Simbabwe sollte nach Norwegen gebracht werden.
Der 23-Jährige versucht alles, um in Deutschland zu bleiben. Doch Rechtsmittel seien ausgereizt, heißt es. Eine Möglichkeit der Rückkehr könnte es aber noch geben.
Sechs Tage ist es her, dass ein Polizeieinsatz in Ellwangen die Asyl-Diskussion heißlaufen ließ. Jetzt wird geredet. Klar wird: Die Flüchtlinge haben große Angst.
Nach den Vorfällen in Ellwangen ist immer wieder die Rede von Staatsversagen. Das zeigt, wie weit sich die öffentliche Debatte nach rechts verschoben hat.
Für seine Bemerkung über eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ erntet Dobrindt (CSU) Kritik. Auch jenseits markiger Äußerungen sorgt das Thema für Streit.
Viele Redaktionen verbreiten Meldungen der Polizei – unhinterfragt. Dass Skepsis angebracht ist, haben erneut die Demos am 1. Mai gezeigt.
Horst Seehofer nutzt die Ereignisse von Ellwangen, um Gefängnisse für Flüchtlinge zu rechtfertigen. Der Versuch sollte ein Warnzeichen sein.
Die Abschiebung und Verhaftung des Geflüchteten in Ellwangen sei illegal, sagt dessen Anwalt. Eine Klage gegen die Abschiebung sei noch nicht entschieden.