taz.de -- Die Wahrheit: Die Riviera ruft

Neues aus Neuseeland: Jetzt, wo Europa kriselt und Amerika untergeht, ist es gut, dass Aotearoa den schönsten Gegenden der Welt ähnlich ist.

Seit sich AJ Hackett mit Gummiband um die Knöchel von einer Berg-Brücke bei Queenstown stürzte, findet man in der Gegend keine echten Kiwis mehr. Nicht, weil Letztere in dem Vierteljahrhundert seit jener Heldentat das massenhafte Bungee-Springen nicht überlebt hätten. Sondern weil sich Einheimische seit dem Touristenboom die Mieten nicht mehr leisten können im Südalpen-Mekka der Extremsportler.

Dafür wimmelt es rund um den Wakatipu-See von Saisonkräften aus aller Welt. Unter den Busfahrern, Ski-Hasen und Kellnern hört man mehr irische und französische Akzente als das gerollte „R“ der knarzigen Eingeborenen aus Southland. Da die Preise dank all der amerikanischen und japanischen Touristen in die Höhe geschnellt sind, drängt sich der Vergleich auf: Queenstown ist längst das zweite Whistler oder Aspen. Es muss hier mal unbescheiden gesagt werden: Neuseeland – das ist wie das Beste der ganzen Welt, aber kompakt verpackt.

Nicht, dass wir nicht einzigartig wären. Immerhin haben wir Maori und scheue Kiwi-Vögel, die man nie zu sehen bekommt. Aber in diesen Zeiten, wo Europa kriselt und Amerika untergeht, ist es keine Schande, dass wir den schönsten Gegenden der Welt zum Verwechseln ähnlich sind. Her mit den Doppelgängern!

Wer einmal das palmengesäumte Pahia im hohen Norden erlebt hat, sehnt sich nicht mehr nach den Eisbuden der Riviera. Der Rummel unserer „Bay of Islands“ kann da mithalten, inklusive Sonnenbrand, Ausflugbooten und milder Abzocke. Und wer gerne Paris verklärt, macht einfach einen Abstecher nach Akaora. In dem lieblichen Städtchen auf der Südinsel ist jede Straße eine rue, wo einem Croissant und Café au lait nachgeworfen werden. Warum also die brutale politische Wirklichkeit Frankreichs, wenn die heile Variante im tiefen Süden existiert?

In diesem Geist reist es sich bestens in Neuseelands Pseudo-Europa. Tief im Südwesten wartet Skandinavien mit schneebedeckten Gipfeln, schroffen Klippen und Kajakfahrern. Gegen Fjordland in all seiner verregneten Schönheit ist Norwegen ein Abklatsch.

Wer hat da wen kopiert? Nur die trinkfesten Schweden und Finnen fehlen. Auch bonnie old Scotland schlummert im MacKenzie County, wo die Berge im Sommer so kahl wie die Highlands sind. Die kleine Kapelle aus Stein am Lake Tekapo könnte genauso am Loch Lomond stehen.

Fehlt nur noch England selber. Dass Neuseeland britischer sei als das „mother country“, hängt dem Land seit der Kolonialisierung wie ein Fluch an. Warum daraus nicht eine Stärke machen? Die Waikato-Region im Herzen der Nordinsel – grüne Hügel zwischen Landstraßen, Pferdehöfe, Eichen, lauwarmer Nieselregen – kann sich mit dem Süden Englands messen. Als letzte Station bleibt dann nur noch Hobbiton. Wem das alles zu idyllisch ist, fährt die Dominion Road in Auckland entlang und ist mitten in Chinatown.

5 Apr 2018

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Anke Richter

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