taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Keine Ahnung? Macht nix!

Die neue SPD-Umweltministerin Svenja Schulze ist keine Expertin für Ökopolitik. Klingt skandalös? Ist aber gute alte Tradition im Ministerium.
Bild: Bitte sehr, die Neue! Expertin Hendricks und Frischling Schulze

Eine gute Freundin von uns wurde letztens von ihrer Chefin gefragt, ob sie nicht Abteilungsleiterin werden wolle. „Ich habe abgelehnt“, sagt sie, „denn ich hatte von dem Bereich keine Ahnung.“ So geht das manchmal im wirklichen Leben.

In der Politik ist das anders. Da zählen Vertrauen der Parteiführung, Proporz und Durchsetzungskraft. Fachwissen ist nur eine Zusatzqualifikation. Der Gesundheitsminister war schon mal im Krankenhaus, der Außenminister schon mal verreist. Und so bekommen wir mit Svenja Schulze eine SPD-Umweltministerin, die mit Umwelt bisher vor allem verbindet, dass sie vor langer Zeit mal in NRW im Umweltausschuss saß.

Schulze setzt damit eine Tradition fort: Die Ressortchefs im Öko-Ministerium haben bei Amtsantritt keine Ahnung, worum es geht. Walter Wallmann war gleich wieder weg. Klaus Töpfer schwamm durch den Rhein und bei wichtigen Themen. Angela Merkel glaubte als Physikerin an den Segen der Atomkraft. Jürgen Trittin war Grüner, aber kein Öko. Sigmar Gabriel wäre eigentlich lieber bei VW im Aufsichtsrat geblieben. Norbert Röttgen hatte eigentlich geplant, BDI-Chef zu werden. Peter Altmaier fand, er sei viel klüger als seine Beamten.

Wichtiger als Gummistiefel sind Ellenbogen

Barbara Hendricks demonstrierte gerade am Anfang deutliche Schnurzigkeit gegenüber Umweltthemen. Und jetzt bei der Regierungsbildung hieß es plötzlich, Matthias Miersch könne neuer Umweltminister werden. Ein erfahrener Umweltpolitiker, der Feinstaub und Stickoxid auseinanderhalten kann! Allerdings blieb die SPD dem Motto „Avanti Dilettanti!“ treu.

Aber es reicht ja auch völlig, wenn Svenja Schulze unfallfrei das Grußwort zum Biodiversitätskongress vorlesen kann. Viel wichtiger ist es, dass sie sich für ihr Mini-Ministerium Verbündete sucht, um die bösen schwarzen Jungs bei Landwirtschaft, Verkehr und Energie zu stoppen. Dass sie mit dem Parlament, den denkfähigen Teilen der Industrie, den Verbänden und Gewerkschaften Allianzen bildet, um die Zukunft vor der Ignoranz der Gegenwart zu retten. Vielleicht kann ja nur ein IG-BCE-Mitglied wie Schulze den Kohleausstieg durchsetzen, so wie nur die CDU die Wehrpflicht abschaffen konnte.

Natürlich braucht Svenja Schulze ein bisschen Nachhilfe in Sachen Öko. Viel wichtiger als Gummistiefel beim Ortstermin sind aber Ellbogen am Kabinettstisch. In der Umweltpolitik geht es um Macht, nicht um Wissen. Keine Ahnung? Macht nix. Schlimm wäre: nix Macht.

18 Mar 2018

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Bernhard Pötter

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