taz.de -- Komödie aus dem Iran auf der Berlinale: Wenn das Gefängnis zur Bühne wird

Verbotslisten und andere Eitelkeiten: In „Khook“ parodiert der iranische Regisseur Mani Haghighi den Filmbetrieb seines Landes.
Bild: Stalking auf dem Wasser: Szene aus dem Film

Ein Serienmörder geht um in Teheran. Ein Regisseur nach dem anderen fällt dem Mörder zum Opfer, mehr als der abgetrennte Kopf, das Wort „Schwein“ in die Stirn geritzt, wird nie wiedergefunden. Allmählich wird auch Regisseur Hasan Kasmai, Filmfigur aus dem iranischen Wettbewerbsfilm „Khook“ („Schwein“) nervös, nicht weil er Angst hätte, ermordet zu werden, sondern weil es ihm unerklärlich ist, wieso der Mörder all die in seinen Augen untalentierten Kollegen umbringt, während er selbst übergangen wird.

Dabei ist es eigentlich schon schlimm genug, dass seine Geliebte, die Schauspielerin Shiva Mohajer, nicht länger gedenkt, das Drehverbot, mit dem die iranischen Behörden Kasmai bestraft haben, mit ihm gemeinsam auszusitzen, sondern sich von seinem Rivalen Sohrab Saidi für dessen neuesten Film anheuern lässt. Dramaqueen Hasan macht seiner Geliebten eine Szene nach der anderen.

Zwei Jahre nach „A Dragon Arrives“ ist der iranische Regisseur Mani Haghighi erneut mit einem Film im Wettbewerb der Berlinale vertreten, diesmal mit einer Komödie über die Filmszene. „Khook“ ist bis etwa zur Hälfte des Films ein absurdes Spektakel, das die aberwitzige Konstellation des egomanen Regisseurs, der sich sogar von einem Serienmörder zurückgesetzt fühlt, auskostet. Zwei, drei Heavy-Metal-Einlagen mit Frauen, die in knallbunten Kostümen aus einer Werbung für Insektenvernichtungsmittel auftreten, runden das Bild ab.

AC-DC hinter Gittern

Als Kasmai schließlich selbst kurz in den Verdacht gerät, der Serienmörder zu sein, und verhaftet wird, wandelt sich die Gefängniszelle in eine Bühne, auf der er wie AC-DC-Gitarrist Angus Young herumhüpft. Dann jedoch gehen Mani Haghighi leider die Ideen aus und er verzettelt sich in seiner Geschichte.

Haghighis Film ist eine Farce voller Anspielungen auf die iranische Filmindustrie. So drängt sich nach der Ermordung von Haghighis Alter Ego die iranische Filmszene auf dessen Begräbnis. In einigen Szenen des ersten Teils blitzen Bildideen auf, die daran erinnern, was für ein bildgewaltiges Kino derzeit im Iran entsteht.

Wie zuvor schon „A Dragon Arrives“ zeugt auch „Khook“ davon, dass das iranische Kino zunehmend Genreelemente aufgreift, die das Autorenkino, das man seit Jahrzehnten aus dem Iran kennt, ergänzen. So besteht denn – auch wenn Haghighis neuster Film, die Erwartungen, die man nach den Vorgängern haben durfte, nicht erfüllt – kein Zweifel daran, dass der Iran noch eine Weile lang zu den aufregendsten Kinematografien der Gegenwart gehören wird. Ein Kino, von dem zu wünschen wäre, das es möglichst bald in seiner ganzen Vielfalt auch jenseits von Festivals auf deutschen Leinwänden vertreten sein möge.

22 Feb 2018

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Fabian Tietke

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