taz.de -- Die Wahrheit: Goldiger Geschlechterkrieg

Im großen Hader um den Sexus hämmern derzeit alle wie verrückt auf die Löschtaste, damit alles Böse oder Blöde von Haus- oder Leinwänden verschwindet.

Ich hatte ja keine Ahnung, dass es in Deutschland inzwischen Volkssport ist, hermeneutische Exegesen konkreter Poesie zu betreiben. Wenn aber die Welt ein besserer Ort wird, weil aus ihr verschwindet, was irgendwen an irgendwas „erinnert“, soll mir das recht sein. Überdies fühle ich mich im derzeit tobenden Weltkrieg der Geschlechter ein wenig wie die Schweiz. Ich schließe meine Grenzen und horte Gold.

Weniger noch als für Lyrik interessiere ich mich für das Kino. Die astrale Seifenoper „Star Wars“ erlebt gerade, lese ich, eine Entrümpelung ihrer patriarchalen Erzählformen? Fein. Ein beleidigter Nerd wiederum hat all die, sorry, bewunderungswürdigen Frauen aus dem Film geschnippelt, sodass nur eine sinnlose Version von 46 Minuten übrigblieb? Meinetwegen. Im Krieg der Geschlechter hämmern derzeit alle wie verrückt auf die Löschtaste, damit alles Böse oder Blöde von Haus- oder Leinwänden verschwindet? Lässt mich kalt.

Aber die Einschläge kommen näher. Auch ich habe Lieblingsfilme und damit Leichen im Keller, die möglicherweise fraglich sind. Auf Platz drei steht „Chihiros Reise ins Zauberland“, ein Manga, in dem eine Zehnjährige es mit Kreaturen aus der shintoistischen Mythologie aufnimmt. Ich glaube, das ist okay.

Platz zwei hält „Mortelle Randonée“, hierzulande als „Das Auge“ völlig unbekannt. Darin spielt Isabel Adjani eine bisexuelle Psychopathin, die reihenweise Leute erst flach-, dann umlegt. Ein guter Anwalt könnte mich da noch raushauen.

Ein echtes Problem ist Platz eins: „Lawrence von Arabien“. Inzwischen habe ich die literarische Vorlage mehrfach gelesen und den Film so oft gesehen, dass ich die Dialoge mitsprechen kann, Wort für Wort. Aber erst jetzt dämmert mir, dass darin keine einzige Frau vorkommt. Nirgends. Oder doch nur im Hintergrund für genau (ich hab’s gestoppt!) 13 Sekunden von beinahe vier Stunden.

Nun waren Frauen beim Aufstand der Araber im Ersten Weltkrieg nicht eben federführend. Außerdem handelt der Film von einem Homosexuellen, der in weißen weiten Wallegewändern durch die Wüste tänzelt. Aber das entschuldigt nichts. Anderswo – in U-Booten, Polar- oder Raumstationen – reden Männer wenigstens über abwesende Frauen. Es gibt, kurzum, in der langen Geschichte der Cinematografie keinen frauenloseren Film als „Lawrence von Arabien“. Ich bin geliefert.

Vielleicht helfen mir noch zwei Zeuginnen der Verteidigung, Phyllis Dalton und Anne V. Coates. Dalton hat damals alle Kostüme entworfen und genäht, auch die weißen und wallenden. Coates bekam den Oscar für den „besten Filmschnitt“. Wenn ich Glück habe, mildert das die Umstände; und ich muss mich nur einer „Gilmour Girls“-Therapie unterziehen. Andernfalls drohen mir zehn Staffeln „Orange Is The New Black“ mit anschließender „Grüne Tomaten“-Sicherheitsverwahrung. Eher bringe ich mich um.

26 Jan 2018

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Arno Frank

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