taz.de -- Hamburger Hip-Hop-Alben gegen Rechts: Typisch Zeckenrap eben

Der Rechtsruck ist da, wie weiter? Auf ihren neuen Alben verhandeln die Rapper Johnny Mauser und Captain Gips Rassismus, Sexismus und Homophobie.
Bild: Auch als „Neonschwarz“ unterwegs: die Rapper Captain Gips (l.) und Johnny Mauser

„Ich könnte durchdrehen bei dem Gedanken, was bleibt der Welt denn außer dem Untergang? Aber was soll ich meinem Sohn erzählen?! Vielleicht passiert ja mal was unglaublich Positives. Schließlich ist das Mittelalter auch noch nicht so lange her.“

„Wir brauchen mehr selbstorganisierte Strukturen mit grundsolidarischer Atmosphäre.“

Ungewöhnlich hoffnungsvolle Aussagen, die auf vieles schließen lassen, aber vermutlich nicht darauf, dass sie von zwei jungen Rappern stammen: Johnny Mauser und Captain Gips, beide auch bei der Crew Neonschwarz aktiv.

Die beiden Hamburger Rapper haben sich gleichzeitig von ihrer Band abgekoppelt, um jeweils an Soloprojekten zu arbeiten. Herausgekommen sind zwei Alben, die sich thematisch weitestgehend gleichen: Sowohl auf Mausers Album „Mausmission“ als auch auf bei Captain Gips „Klar zum Kentern“ geht es um Umweltzerstörung, rechte Hetze und den gesellschaftlichen Alltag inmitten des aktuellen Wahnsinns, in dem wir leben. Dabei beziehen die beiden Rapper klar Stellung: antirassistisch, antisexistisch, antihomophob.

Klischee umdrehen

Typisch Zeckenrap eben – ein Begriff, den Neonschwarz erfunden hat: Die Hamburger Band rief zusammen mit verschiedenen Produzenten, Veranstaltern und Rappern die TickTickBoom-Zeckenrap-Gala ins Leben und gab ihr diesen Namen, um bewusst dem negativen Klischee in der Bezeichnung von Linken als „Zecken“ durch Rechte etwas Positives entgegenzusetzen.

Selbstverständlich gibt es beim Zeckenrap stilistische Abstufungen, das beweisen Mauser und Gips auf ihren Alben ganz deutlich. Als „düsterer, pessimistischer, persönlicher und intimer“ beschreibt Mauser sein Werk. Beim Hören bestätigt sich diese Einschätzung: Auf einem klassischen HipHop-Fundament aus Beats, Samples und Scratches basierend, unter gelegentlichen Reggae-Einsprengseln behandelt er Themen wie Resignation und Abstumpfung angesichts des Rechtsrucks.

Auf „Klar zum Kentern“ lässt Gips hingegen eher mal Funk-Einflüsse zu, nutzt synthiebasierte Beats ebenso wie samplebasierten Boombap und rappt auch über persönlich düstere Zeiten – alles in allem sehr eingängig und enorm livetauglich. Ist „Klarmachen zum Kentern“ wörtlich gemeint? „Die Grundaussage könnte sein, dass man trotz Düsternis sein Grinsen nicht verlieren muss. Selbst wenn man dafür in Sarkasmus flüchtet“, entgegnet Gips. Als „halb Rapper, halb Punk“ weckt er auf seinem aktuellen Album zeitweise Assoziationen mit der Antilopen-Gang. Jedoch: „Meine deprimierte Kritik an der Menschheit bezieht sich auf den Wahnsinn der Welt“, erklärt Gips.

Auf ihren Entschluss hin befragt, vorläufig erst einmal wieder Soloprojekte zu starten, betonen beide Rapper, sie hätten damit in keinem Fall eine Entscheidung gegen Neonschwarz getroffen, sagt Gips: „Was wir mit Neonschwarz machen, ist tanzbar und spricht mehr Leute an. Aber wir tragen auch eine Leidenschaft für etwas düsteren, rougheren HipHop in uns und komponieren auch mal Sachen, die da nicht so ganz reinpassen. Die Euphorie von Neonschwarz ist auf unseren Soloalben ausgeblendet“, erklärt Mauser. „Wir haben unabhängig voneinander daran gearbeitet. Jetzt sind zwei eigenständige und wirklich verschiedene Alben dabei herausgekommen, die aber gut zueinander passen“.

„Rechtsstaat teilweise ausgehebelt“

Gips veröffentlichte sein letztes Soloalbum 2014, Mauser ein Jahr zuvor. Was hat sich seitdem verändert? „Ich sag mal so: Im Gegensatz zu alten Politparolen können wir heute intelligenter formulieren“, lacht Gips. „Unsere Texte sind inzwischen weniger plakativ“, glaubt Mauser. „Wir kriegen das schon wieder hin, mit ein bisschen Liebe / Mit ein bisschen Liebe und ei’m nuklearen Sprengkopf, ein paar Bomben, ein paar Panzern und ein bisschen Sprengstoff“ lautet da auf „Klar zum Kentern“ die herzhaft-beschwingte Hookline im Track „Menschheit“.

Apropos Sprengstoff: Nachdem Mauser im Juli ein Video zur „Welcome to hell“-Demo beim G20-Gipfel in Hamburg veröffentlicht hatte, war das bald nur noch eingeschränkt verfügbar, da es angeblich unangemessene Inhalte verbreitete. Zu seiner nachträglichen Einschätzung der Geschehnisse während des Gipfels befragt, findet Mauser: „Während des G20-Gipfels wurde der Rechtsstaat teilweise ausgehebelt. Und dass sich Bürger jetzt an brennenden Autos aufhalten, steht einfach in einer krassen Diskrepanz zu dem ganzen Irrsinn, der weltweit passiert. Und übrigens: Auch Nazis zünden Autos an.“

Bald starten die beiden Rapper in Hamburg wieder ihr Projekt Neonschwarz. Zu Hause ist es doch immer noch am schönsten.

18 Dec 2017

AUTOREN

Annika Glunz

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