taz.de -- Neue Turbo-Schulbauten vorgestellt: Schulen in Schuhschachteln

Jetzt soll’s schnell gehen: 2018 ist Spatenstich für drei Schulneubauten im „beschleunigten Verfahren“ – Vorbild für die Schulbauoffensive des Landes.
Bild: Geplanter Neubau einer Grundschule an der Konrad-Wolf-Straße in Lichtenberg

Normalerweise ist Berlin dafür bekannt, dass Baustellen hier etwas länger dauern können. Bei den dringend benötigten Schulneubauten hingegen will man es in nahezu atemberaubendem Tempo von der Planung bis zur Schlüsselübergabe schaffen. 2018 ist Spatenstich für die ersten drei von insgesamt zehn Neubauten, die die Senatsbildungsverwaltung in einem Modellprojekt zur Schulbaubeschleunigung vor zwei Jahren in die Wege geleitet hatte. Ziehen dann tatsächlich ab 2019 zum Beispiel an der Integrierten Sekundarschule Mahlsdorf in Marzahn-Hellersdorf die ersten SchülerInnen ein, wären zwischen Planung und Fertigstellung nur drei Jahre vergangen. Üblich waren bisher sieben bis zehn Jahre.

„Schneller bauen und planen ist also möglich“, stellte denn auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag bei der Vorstellung der Architektenentwürfe für die Turbobauten fest. Rund 4.400 Schulplätze in den Bezirken Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau, Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg sollen so in den nächsten Jahren entstehen, teilweise auch durch die Sanierung von bereits vorhandenen Gebäudeteilen. Zudem sollen die zehn Schulen des Modellprojekts als Blaupause dienen für alle insgesamt 59 Schulneubauten, die das Land im Rahmen seiner 5,5 Milliarden Euro schweren „Schulbauoffensive“ in den nächsten zehn Jahren realisieren will.

Warum das plötzlich ganz schnell gehen kann, wo zuvor Dauerbaustelle herrschte, erklärte am Montag Scheeres’ Kollegin im Stadtentwicklungsressort, Katrin Lompscher (Linke). Deren Verwaltung hat die europaweite Ausschreibung der Architektenwettbewerbe koordiniert und ist nun als Bauträgerin auch für die Vergabe der Aufträge an die Baufirmen zuständig. Was bisher also jeder Bezirk in Eigenregie leistete, lief jetzt in Lompschers Verwaltung zusammen. Das habe es ermöglicht, die Wettbewerbsverfahren für einige Schulstandorte zusammenzufassen, so Lompscher. Sechs Neubauten werden zudem von einem Generalplaner gemanagt; auch die Vergabe von Bauaufträgen an einen Generalunternehmer sei denkbar und werde derzeit mit den Bezirken diskutiert.

In der Vergangenheit hatten sich Bezirke und Senatsverwaltungen stets gegenseitig die Schuld für zähe Planungsprozesse in die Schuhe geschoben. Jetzt wurde „reduziert und beschleunigt“ (O-Ton Lompscher): Die Kostenplanung für jeden Neubau muss nur noch einmal statt wie bisher zweimal durch die parlamentarische Debatte im Hauptausschuss.

Zudem werden die Bauvorhaben sofort in die Investitionsplanung des Landes aufgenommen – eine Voraussetzung, damit zum Beispiel schon mal Architektenwettbewerbe ausgeschrieben werden und Planungsprozesse weiterlaufen können. So will man gleich losbauen können, wenn die Finanzmittel dann tatsächlich im Haushalt eingestellt sind.

Es fehlt an Personal

Ob das Modellvorhaben auch in der Breite Erfolg hat, wird man nun sehen: Der Neubaudruck bei den Berliner Schulen ist enorm. Rund 60.000 Schulplätze sollen in den nächsten zehn Jahren geschaffen werden. Zugleich müssen Milliarden Euro in die Sanierung von baufälligen Schulgebäuden gesteckt werden. In einigen bezirklichen Bauämtern macht sich angesichts der knappen Personalsituation Skepsis breit, ob das zu schaffen sein wird – trotz mehr Stellen, die der kommende Doppelhaushalt, der am Donnerstag im Parlament verabschiedet wird, vorsieht.

Die Privatisierungsgegner von Gemeingut in BürgerInnenhand kritisieren zudem, dass bei den restlichen rund 40 Neubauten nicht mehr die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Bauträgerin sein wird, sondern eine noch zu gründende Tochter des privatrechtlichen organisierten Wohnungsbauunternehmens Howoge.

Bildungssenatorin Scheeres betonte indes am Montag, welche „Riesenchance“ die neuen Bauten für die Schulraumqualität bedeuteten. Man sei nun künftig „weg von der Flurschule“ und denke stattdessen in „Raumclustern“. Übersetzt heißt das: Statt Klassenraum an Klassenraum will man zum Beispiel einen Bereich für Naturwissenschaften, einen für Musik etc. schaffen. Praktischerweise erlaube diese „Modulbauweise“ standardisierte Bauprozesse, wie Bausenatorin Lompscher anmerkte – ebenfalls ein Beschleunigungsfaktor.

Auch die stets kritisierten sogenannten Modularen Ergänzungsbauten in Schnellbauweise, mit denen immerhin über die Hälfte der neuen Schulplätze realisiert werden, sollen verbessert werden: Künftig soll es möglich sein, nicht nur Klassenräume, sondern auch Mensen einzuplanen – und sogar, wie an der Chausseestraße in Mitte, eine Sporthalle, die sich dann quasi unterm Dach im 5. Stock befinden soll. Da die Grundstücke für die Neubauten teilweise recht klein seien, „müssen wir eben überlegen, wie wir künftig in die Höhe gehen können“, so Scheeres.

Alle Entwürfe der 10 neuen Schulen im beschleunigten Verfahren [1][hier].

11 Dec 2017

LINKS

[1] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/download/beschleunigter-schulbau/

AUTOREN

Anna Klöpper

TAGS

Sandra Scheeres
Katrin Lompscher
Schule
Gemeingut in BürgerInnenhand
Howoge
Mieten
Schule
Schule
Sandra Scheeres
Schule
Kitas
Katrin Lompscher
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Privatisierung
Die Linke Berlin
Schule
Matthias Kollatz-Ahnen

ARTIKEL ZUM THEMA

Schulen bauen mit der Howoge: Schlussstrich unter Schulbau-Streit

Das Abgeordnetenhaus beschließt, wie Berlin zukünftig Sanierung und Neubau seiner Schulen organisiert. Was wird da entschieden? Ein Faktencheck.

Marode Berliner Hochschulen: Die nächste Großbaustelle des Senats

Laut einem Gutachten sind weite Teile der Hochschulgebäude marode: Insgesamt 3,2 Milliarden Euro würde die Sanierung kosten.

Berliner Schulbauoffensive: Großes Abc mit Howoge

In den nächsten Jahren soll die Wohnungsbaugesellschaft Howoge 29 neue Schulen bauen. Finanzsenator Kollatz-Ahnen widerspricht Privatisierungsvorwurf.

Aktionstage gegen Verdrängung: Street-Art gegen Platzmangel

Stühle stapeln auf dem Radweg: Im Kreuzberger Wrangelkiez nehmen sich Schüler mit einer Installation den Raum, der ihnen verloren geht.

Berliner Senat: Kein Zurück bei Frauenförderung

Die rot-rot-grüne Landesregierung beschließt ein Aktionsprogramm Handwerk. Das zu erneuernde Vergabegesetz will sie aber nicht aufweichen.

Elternprotest im Wedding: Bedingt solidarisch

Die Weddinger Grimm-Grundschule hat viele Kinder aus der maroden Krämer-Schule aufgenommen. Die Eltern protestieren, die Schulleitung mahnt Solidarität an.

Neue Schulen für Berlin: Jetzt mit Lounge

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) stellt das Raumprogramm für alle Schulneubauten vor. Es gibt vor allem mehr Platz.

Dachschaden an Schule in Wedding: Nun komplett evakuiert

Der Schaden am Dach ist massiv, die Decken sind einsturzgefährdet: Die Carl-Krämer-Grundschule bleibt bis zu den Osterferien geschlossen.

Turbo-Bauten für Kitas und Flüchtlinge: Von Mokibs und Mobs

3.000 Kitaplätze an maximal 40 Standorten in modularer Bauweise: Schnellbauten sind, nicht nur bei Kitas, die Antwort des Senats auf die wachsende Stadt.

Geldsegen in der Hauptstadt: Auch Reiche haben Probleme

Tilgen oder investieren? Die rot-rot-grüne Koalition muss zu Jahresbeginn über anderthalb Milliarden Euro entscheiden – zusätzlich zum gerade erst beschlossenen Doppelhaushalt.

Kommentar zum Haushalt von R2G: Rot-Rot-Grün macht einen Unterschied

Der Doppelhaushalt, der am Donnerstag verabschiedet wird, zeigt: Gerade am Detail merkt man, wer regiert.

taz-Adventskalender (4): „Kraft finde ich bei Bach“​

Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas brennen. Hinter Türchen Nummer vier: Privatisierungskritikerin Ulrike von Wiesenau.

Parteitag der Linken: Gegen alte Fehler

Die Linkspartei steht für die geplante Schulbauoffensive in der Kritik – und reagiert mit dem Vorschlag einer Privatisierungsbremse.

Stand der Schulbauoffensive: Hinter die Fassaden geschaut

Berlin investiert viel Geld in ein Schulsanierungs- und Neubauprogramm. Nach wie vor fehlt aber Personal in Bauämtern.

Berliner Landeshaushalt 2018/2019: Mehr für alle!

Rot-Rot-Grün stellt seinen ersten Haushaltsentwurf vor: Dank guter Steuereinnahmen erhalten alle Senatsverwaltungen zusätzliche Mittel