taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Exklusiv für Frauen!

Wohlfühlen und Selbstfinden, ganz einfach Selfness: Der Gesundheitssektor mit Wellness, Mindness, guter Küche bleibt der Zukunftstrend im Tourismus.
Bild: Entspannung für die individuellen Knackpunkte

Es kribbelt bei der Kopfspezialbehandlung. Ein Gefühl, als stellten sich die Haare auf. Die Hirnzellen erwachen. Die Mundwinkel rutschen spürbar hoch. Novemberblues adieu! Schon das Mental Coaching am Vortag hat aufs Loslassen, Entspannen eingeschworen. Das individuelle Gesundheitscoaching hat die individuellen Knackpunkte – Rücken, Schulter, Alter – herausgearbeitet. Antistressprogramm für Frauen im „la pura“ im österreichischen Kamp.

In kuschelige weiße Bademäntel eingehüllt schweben Frauen jeden Alters in den Spa-Bereich – Sauna, Infrarot, Schwimmbad – und zum Abschluss ein duftendes Peeling im Rasulbad für samtweiche Haut. Das „la pura“ gehört zum österreichischen Pharmakonzern Vamed AG. Ein Unternehmen, das im Bereich der Planung, Errichtung und dem Betrieb von Gesundheitsprojekten tätig ist.

Und es ist ein Wellnesstempel auf höchstem Niveau. Exklusiv für Frauen. Eigentlich die naheliegendste Marketingidee: Denn Frauen sind die Klientel für die körperlichen und kosmetischen Seiten des Wohlbefindens, der Selbstoptimierung.

Aber hier wurde das Produkt selbst optimiert. Es geht um nichts weniger als Gendermedizin. Denn: „So wertvoll die Bemühungen um die Gleichstellung der Frau sind, so wichtig ist es, sie aus medizinischer Sicht als Frau wahrzunehmen“, sagt Prof Dr. med. Alexandra Kautzky-Willer, die das medizinische Konzept für „la pura“ betreut. Gesundheit ist ein gutes Verkaufsargument. Entschlacken, Entgiften, Idealgewicht, Osteopathie, kosmetische Kleinstreparaturen, Kosmetik, Sport, Yoga und Ernährung – das Programm ist stilvoll und feminin wie die Einrichtung der Zimmer.

Aber vor allem liegt es voll im Trend: Luxusreisen boomen. Luxus heute definiert sich als Selbstfindung, Simplizität, Authentizität. Slow Movement im edlen Ambiente. Diese Entwicklung bestätigt auch eine Sonderauswertung des World Travel Monitors: Im Jahr 2016 wurden weltweit rund 54 Millionen Luxusreisen ins Ausland unternommen. Damit stieg ihr Marktanteil auf rund sieben Prozent.

Im „la pura“ ist Luxus spürbar. Doch die Sensibilisierungspraxis am eigenen Körper beschränkt sich nicht auf den Therapie- und Spa-Bereich. Vollendet wird er in der Küche: fettarm und proteinreich, regional, ein bisschen vegan, vielfältig. Eine wie auch immer inspirierte Küche mit lokalen Produkten und heimischen Kräutern. Kulinarisch korrekt auf hohem Niveau!

Zum Glück werden am Nachmittag die leckersten österreichischen Mehlspeisen von Mohnkuchen bis Himbeerstreusel serviert. Köstlich und völlig ungesund. Lässliche Sünden in einem ausgeklügelten, teuren Angebot. Wohlfühlen und Selbstfinden, ganz einfach Selfness. Nicht nur für Vorstadtweiber.

2 Dec 2017

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Edith Kresta

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