taz.de -- Die Wahrheit: Giftalarm im Idyll

Neues aus Neuseeland: Viele Tiere in Aotearoa sind vom Aussterben bedroht. Jetzt hilft die Regierung bei den Nagern noch einmal kräftig nach.
Bild: Pizza oder Pipi? Egal. Vieles will von Hunden intensiv beschnüffelt werden

Woanders auf der Welt will man Flüchtlinge loswerden. Oder Demonstranten. Oder sperrt Journalisten ein. Unsere Regierung dagegen hat einen anderen Masterplan, und der ist mörderisch: Raubtiere ausrotten. Das sind Neuseelands Ratten, Possums und Wiesel. Sie fressen nicht nur halbe Wälder kahl, sondern unsere Vogelbabys auf. Vögel sind in Aotearoa fast so heilig wie in Indien die Kuh. Selbst die Radionachrichten beginnen morgens mit einem „bird call“, also Gezwitscher oder Gurren.

80 Prozent der 168 einheimischen Vogelsorten sind vom Aussterben bedroht. 83 davon, wie die blaue Ente Whio, findet man nirgendwo anders auf der Welt. England dagegen – Heimat aller „bird watcher“ – hat gerade mal eine einzige endemische Spezies. Als diese Zahlen Mitte des Jahres herauskamen, beschloss die Regierung, 20 Millionen Dollar zum Schutz der Natur lockerzumachen.

Anfangs sollten dafür die Touristen löhnen, mit einer Art Rattensteuer bei der Einreise. Internationale Besucher sind für vieles verantwortlich, zum Beispiel vollgemüllte Campingplätze und Autounfälle wegen Linksverkehr. Aber sie haben nicht das große Vogelsterben auf dem Gewissen. Die Steueridee wurde wieder verworfen. Dafür zahlt man nun künftig fürs Wandern auf den „Great Walks“ mehr – für den Nager-Genozid.

Auf der Nordinsel sollen in den nächsten Wochen aus der Luft 30.000 Hektar der Ruahine Ranges mit Sodium-Fluoroacetat bestückt werden, als „1080“ bekannt und berüchtigt – Giftköder, die angeblich biologisch abbaubar sind. Auch über dem Paparoa-Nationalpark an der Westküste der Südinsel knattern bereits die Hubschrauber der Naturschutzbehörde und tätigen ihre Abwürfe. Dort steht unser Hauslaster hoch oben auf einem Hang am Meer. Unten tost die See. Unser Feriendomizil.

Es gibt keinen Strom dort, nur ein Plumpsklo, und das Wasser kommt direkt aus dem Bach im Regenwald – wie bei vielen der Küstenbewohner, die in windschiefen Hütten wohnen. Könnte man auch als „Idyll“ bezeichnen. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass in Zukunft Abertausende von Tierkadavern in der Wildnis auf unserem Stück Land verrotten und die Bäche verseuchen.

Mit dem Trinkwasser ist es eh schon heikel. Zur gleichen Zeit, als der Vogelmordreport herauskam, geriet unser bisher pures Grundwasser in Christchurch in Verruf. Dank der Landwirtschaft hat es kritische Nitratwerte erreicht. Etliche Flüsse sind dabei, umzukippen – zu viel Gülle und Algenpest. Außer den Vögeln ist ein Drittel aller Süßwasserfische vom Aussterben bedroht. Vierzig Sorten gibt es, darunter das unheimliche Neunauge – eine Art Aal, auch als lebendes Fossil bezeichnet, da es schon mit den Dinosauriern um die Wette schwamm.

Den Maori ist das Viech heilig. Wenn die Regierung nun auch all die vergiften will, die am Tod der Fische schuld sind, dann müsste sie eigentlich bei den Farmern anfangen.

16 Nov 2017

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Anke Richter

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