taz.de -- Vorstoß von SPD-Fraktionschef Saleh: Synagogen wieder aufbauen

Raed Saleh fordert, die von den Nazis abgefackelte Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg wieder aufzubauen – möglichst originalgetreu.
Bild: Ihnen gefällts hier offenbar: Der Regierende und Raed Saleh (r.) in der Synagoge im Fraenkelufer 2015

Die Zeiten sind günstig für Bauprojekte, das weiß Raed Saleh. „Wer’s hat, der hat’s“, sagt der SPD-Fraktionschef und meint damit, dass gerade genügend Geld vorhanden sei, um symbolträchtige Projekte zu realisieren. Zum Beispiel um vor Langem gesprengte Schlösser wieder aufzubauen, auch wenn deren Nutzen reichlich unklar ist, wie derzeit in Berlins Mitte. Oder Kirchen, auch wenn deren Bedeutung und Geschichte höchst umstritten ist, wie bei der Garnisonkirche in Potsdam.

Etwas fehle allerdings, moniert Saleh: bisher sei in Deutschland noch keine von den Nazis zerstörte Synagoge wieder originalgetreu rekonstruiert worden. Für ein solches „Zeichen des Wiederaufbau jüdischen Lebens“ sei es höchste Zeit, so Saleh am Donnerstag, dem 79. Jahrestag der Reichsprogromnacht. Rund 50.000 Menschen jüdischen Glaubens leben nach Angaben der Jüdischen Gemeinde inzwischen wieder in Berlin. Darunter sind auch viele junge Israelis.

Saleh, gläubiger Moslem, weiß auch schon, welche Synagoge er gerne wieder aufbauen würde: jene am Fraenkelufer in Kreuzberg. „In die habe ich mich geradezu verliebt“, gibt der SPD-Politiker zu. Von dem ursprünglichen stattlichen Gebäudekomplex steht heute nur noch ein Seitenflügel. Die Synagoge selbst war 1938 von den Nazis in Brand gesteckt worden.

Mehr als nur ein Gotteshaus

Doch der Platz reiche längst nicht mehr aus, berichtet Mike Delberg von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Denn in den letzten fünf Jahren habe sich dort, am Übergang zwischen Kreuzberg und Nord-Neukölln, ein lebendiges Gemeindeleben entwickelt. Viele jüdische Familien seien dorthin gezogen. Deswegen solle eine wiederaufgebaute Synagoge auch mehr sein als nur ein Gotteshaus, betont Saleh: Eine Kita, offen für alle Religionen, könnte dort untergebracht werden, früher habe es dort auch eine Suppenküche für Bedürftige gegeben.

Und noch einen Nutzen sieht Saleh: Der Antisemitismus, der in dieser Gegend der Stadt bei Menschen mit Migrationshintergrund „nicht zu knapp“ vorhanden sei, beruhe auf Unkenntnis und Vorurteilen. Ein Dialog, ausgehend von dem neuen Haus, könnte dem entgegenwirken.

So weit, so nachvollziehbar. Konkreter wird Saleh am Donnerstag allerdings nicht. Als mögliche Kosten nennt er eine Zahl von 28 Millionen Euro, ohne dass es dafür eine nachvollziehbare Grundlage gibt. Immerhin seien die benötigten Grundstücke unbebaut und in Landesbesitz. Das Geld aufbringen könnten Stiftungen und Spenderinnen. Er habe viele Gespräche geführt, sagt der Fraktionschef. Ob das reicht, die Idee wie von Saleh gewünscht „in einigen Jahren oder auch schon früher“ zu realisieren?

9 Nov 2017

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Bert Schulz

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