taz.de -- Transsexualität im Wahlkampf: Das Warten auf Öffentlichkeit

Das Transsexuellengesetz ist seit Jahren reformbedürftig – doch passiert ist nichts. Auch bei der Wahl spielt das Thema keine Rolle.
Bild: Vor dem Bundestag ein Regenbogen an bunten Luftballons – offen bleibt, wie viel Vielfalt tatsächlich umgesetzt wird

„Geschlechtliche Selbstbestimmung für alle? Sie ist keine Realität – und auch kein Thema, mit dem man Wahlen gewinnt. Bis heute ist die Geschlechtsänderung ein langwieriger und teurer Prozess, denn Transsexualität wird durch den Gesetzgeber als psychische Krankheit angesehen. Nur rund 30 Menschen fanden sich zur Veranstaltung „geschlechtliche Selbstbestimmung“ des Bundesverbands Trans* ein – ein Sinnbild für die geringe öffentliche Wahrnehmung.

„Die Ehe für alle hat Platz im politischen Diskurs geschaffen“, meint der Grünen-Politiker Volker Beck. Diesen Raum braucht es, denn das Transsexuellengesetz – liebevoll auch VÄ/PÄ, Vornamens- und Personenstandsänderung, genannt – ist reformbedürftig. Darin sind sich die Vertreter*innen von Linke, Grüne, SPD und FDP an diesem Abend einig.

Dabei galt das bereits 1981 verabschiedete Gesetz seiner Zeit durchaus als revolutionär. Weiterer Fortschritt wurde hingegen – trotz internationalem Paradigmenwechsel weg vom Staat als „Bewahrer“, der Transsexuelle vor sich selbst schützt, hin zu einem geschlechtlichem Selbstbestimmungsrecht – verschlafen. Auch die Urteile in denen das Bundesverfassungsgericht, zuletzt 2011, weite Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärte, führten nicht zur Reformierung.

Zwei psychiatrische Gutachten sind weiterhin notwendig, um die transsexuelle Prägung festzustellen und den Personenstand zu ändern. Gerade diese Begutachtung wird durch die trans* Personen als entwürdigend empfunden – wenig verwunderlich bei Fragen wie „Liegen Sie jetzt auch oben?“. Stattdessen solle, so die Bundesvereinigung Trans*, die Entscheidung der Geschlechtsänderung allein auf dem Standesamt höchstpersönlich erklärt, Trans* Beratungen gesetzlich verankert und ein drittes Geschlecht im Personalausweis eingeführt werden.

Fehlende Öffentlichkeit

Ginge es nach den anwesenden Parteivertreter*innen würde die psychiatrische Begutachtung auch schnellstmöglich abgeschafft. Doch das CDU-geführte Bundesinnenministerium befindet sich in „einer Blockade der Ignoranz“, so Volker Beck.

Nur in Nuancen unterscheidet man sich an diesem Abend: Helmut Metzner (FDP) fordert die gesellschaftliche Überwindung der Zweigeschlechtlichkeit und die Verankerung im Grundgesetz, dass niemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden darf. Barbara Höll (Linke) will zusätzlich das Recht auf Vornamensänderung für alle Bürger öffnen und hält den Personenstand im Personalausweis für überflüssig. Volker Beck hingegen ist bei Letzterem skeptisch: „Man darf die Mehrheitsgesellschaft nicht mit Forderungen nach der Überwindung der Zweigeschlechtlichkeit“ überfordern“. Auch Mechthild Rawert (SPD) sieht die Gefahr, dass die Ungleichheit zwischen Mann und Frau verschleiert werden könnte und spricht sich mittelfristig gegen die Abschaffung des Personenstands im Personalausweis aus.

Es bleibt offen, was in der nächsten Legislaturperiode zu erwarten ist. Die CDU-Spitze scheint abzuwarten: Laut eigener Aussage auf den Bericht der Interministriellen Arbeitsgruppe (IMAG) zum Thema Trans*, aber wohl eher auf die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit – denn die fehlt. So passt es auch ins Bild, dass der Vertreter Carsten Sura, CDU/CSU-Vertreter der Lesben und Schwulen, kurzfristig absagte – Terminüberschneidung.

24 Sep 2017

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Annika Maretzki

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