taz.de -- Anetta Kahane über die Wahl: „Die FDP fischt im Trüben“

Die Menschrechtsaktivistin Anetta Kahane ist bekannt für ihren Einsatz gegen Antisemitismus. Wie geht sie mit der Wahl, wie mit der AfD um?
Bild: Menschlich super, aber parteipolitisch? Angela Merkel

taz: Frau Kahane, worum geht es bei der Bundestagswahl wirklich?

Wir stehen vor einer Phase offener Widersprüche und Konflikte. Ich denke, der Höhepunkt der Auseinandersetzung darüber, wie sich die demokratischen Gesellschaften im globalen Kontext weiterentwickeln werden, ist noch längst nicht erreicht. Wenn jetzt schon, am Beginn dieses Prozesses, Hysterie und Rechtspopulismus die Debatte und die Stimmung dominieren, dann gnade uns Gott – oder sonst wer.

Die Wahl wird zeigen, ob wir als Gesellschaft einigermaßen erwachsen auf die neuen Themen und Herausforderungen eingehen können oder ob mit dem „Schönwetter“ in der Demokratie sie selbst infrage gestellt wird.

Wie schätzen Sie Merkel ein?

Merkel bewundere ich als rationale Person, als Frau mit Sinn für Humor, als strukturierter und wahnsinnig fleißiger Mensch. Ich finde es gut, dass sie menschliche Haltung zeigt und sehr deutlich macht, was für sie inakzeptabel ist. Ehrlich gesagt, empfinde ich sie in Menschenrechtsfragen als eine bessere Liberale als die Liberalen selbst. Frau Merkel wird als Pragmatikerin weiter ihre Linie verfolgen. Aber politisch teile ich vieles nicht, was sie mit der CDU vertritt.

Und die FDP?

Die ist eine große Enttäuschung für mich. Lindners opportunistische Hinwendung zu Russland war ein Schlüsselerlebnis. Es bedeutet, dass die FDP ist, was sie schon immer war: eine Partei ohne klare Prinzipien bei der Verteidigung der Demokratie und ihrer Werte.

Ich hätte mir gewünscht, die FDP hätte das Thema Menschenrechte zu ihrem gemacht, statt es anderen zu überlassen. Menschenrechte, Gleichwertigkeit, Chancengleichheit: All das sind eigentlich liberale Kernthemen. Die offene Gesellschaft ist ein liberales Kernthema. Ich finde, die FDP hat versagt, an ihre Menschenrechtstradition anzuknüpfen. Stattdessen fischt sie im Trüben.

Müssen wir Angst haben vor der AfD?

Angst? Nein. Sie sind es, die mit Gefühlen wie Angst und Wut operieren. Wir sollten cool bleiben. Und kompetent statt nur moralisch. Selbstverständlich werden sie uns im Bundestag nerven. Mit Reden und Anfragen und all den Mitteln, die das Parlament eben bietet.

Ich hoffe aber, Medien und Politiker lernen sehr bald, nicht mehr über jedes Stöckchen zu hüpfen, das sie hin halten. Wir sollten, statt uns über jeden Unsinn aufzuregen, die AfD lieber jedes mal fragen: Ja und? Wie wollen Sie das machen?

23 Sep 2017

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Jan Feddersen

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