taz.de -- Prozess gegen Aktivist Lee Ming-che: Von Taiwan aus Peking untergraben?
Schauprozesse mit Zwangsgeständnissen sind in China an der Tagesordnung. Neu ist, dass dieses Vorgehen nun auch einen Hochschullehrer aus Taiwan trifft.
BEJING taz | Sein Blick ist nach unten gerichtet. Seine Worte sind nur schwer zu verstehen. Nervös blickt er auf und spricht in die Kamera: „Ich plädiere auf schuldig und bereue meine Tat.“ Er habe sich wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ strafbar gemacht.
Knapp sechs Monate nach seiner Festnahme hat am Montag im zentralchinesischen Yueyang der Prozess gegen den taiwanischen Hochschullehrer und Demokratieaktivisten Lee Ming-che begonnen. Chinas Behörden werfen dem 42-Jährigen vor, Artikel veröffentlicht und in der südchinesischen Stadt Guangzhou an Aktivitäten teilgenommen zu haben, mit denen er die kommunistische Führung und das politische System Chinas „bösartig verunglimpft“ habe.
Lee war im März auf einer Reise durch die zentralchinesische Provinz Hunan plötzlich verschwunden. Einige Tage später teilten die Behörden mit, gegen ihn werde wegen des Verdachts „staatsgefährdender Aktivitäten“ ermittelt. Das Video mit seinem Geständnis stellte das Volksgericht Yueyang am Montag ins Internet. Für Amnesty International ist der Vorgang eindeutig: Von einem „erzwungenen Geständnis“ spricht der in Hongkong sitzende Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation, Patrick Poon. Das werde schon an der Wortwahl deutlich. Überhaupt: Niemand würde am Tag des Prozessauftakts freiwillig öffentlich ein Geständnis abgeben. „Der Prozess von Lee Ming-che ist ein klassischer Schauprozess“, kritisiert auch Maya Wang von Human Rights Watch.
Amnesty zufolge hatte Lee viele Jahre lang zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützt. Das ist in China eigentlich auch nicht verboten. Seit einiger Zeit ist es der Führung aber zunehmend ein Dorn im Auge, dass „ausländische Kräfte“ da tätig sind. Peking befürchtet Unterwanderung und hat die Regeln verschräft. Nur wer offiziell registriert ist, darf sich hier betätigen.
Was den Fall von Lee aber besonders pikant macht: Chinas Behörden betrachten ihn gar nicht als „Ausländer“, sondern als Staatsbürger aus der „abtrünnigen Provinz“ Taiwan. Er falle damit unter chinesisches Recht.
Entsprechend behandeln sie ihn: Bis heute haben sie ihm jeglichen Kontakt zu Angehörigen und Unterstützern verweigert. Dass Chinas Führung Taiwaner wie ihre eigenen Staatsbürger behandelt, ist noch recht neu. 2016 hatten chinesische Behörden in einem Betrugsfall erstmals Taiwaner von Spanien nach China entführt und sie vor Gericht gestellt. Auch mit Hongkongern, die offiziell ebenfalls nicht unter das volksrepublikanische Recht fallen, wird zunehmend so verfahren.
Taiwans Regierung hat in allen Fällen mehrfach Protest eingelegt. Auch jetzt wieder: „Lee Ming-che ist taiwanischer Staatsbürger“, betont das Präsidialamt in Taipeh. Der Generalsekretär der taiwanischen Menschenrechtsvereinigung, Chiu E-ling, fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich für Lees Freilassung einzusetzen. „China verstößt gegen internationales Recht und die Welt schaut zu“, kritisierte Chiu.
12 Sep 2017
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