taz.de -- Kommentar „Ende Gelände“-Klimaprotest: Zahm und aufmüpfig zugleich

Der Protest im Rheinland ist schon jetzt ein Riesenerfolg. Die Braunkohlegegner finden den richtigen Ton zwischen militanter Aktion und friedlichem Protest.
Bild: Ikonisch: Die Mondlandschaft des Garzweiler-Tagebaus garantiert spektakuläre Protestfotos

Ende Gelände hat es geschafft: Die Aktion hat ihren Platz in den Medien sicher. Schon vorab brachte die Tagesschau einen minutenlang Bericht über die Klima-AktivistInnen und hoch organisierten LogistikerInnen, die die derzeit wichtigste und dynamischste Aktion der europäischen Umweltbewegung auf die Beine stellen: Die Besetzung eines Braunkohletagebaus, dieses Mal im rheinischen Revier. Auch nahezu alle anderen überregionalen Medien sind vor Ort.

Dass es so gut läuft [1][für das Bündnis], liegt daran, dass es genau den richtigen Ton trifft und den Spagat zwischen militanter Aktion und dem Bekenntnis zum friedlichen Protest schafft. Damit bringt es einerseits AktivistInnen aus ganz Europa dazu, unbedingt dabei sein zu wollen. Andererseits ist die Aktion aber auch – zumindest aus sicherer Entfernung medial aufbereitet – einem Publikum vermittelbar, das mit Kohleprotesten sonst wenig am Hut hat.

Die spektakulären Bilder sind mittlerweile ikonisch: Tausende weiß gekleidete AktivistInnen steigen in riesige schwarze Krater hinab, in eine Mondlandschaft, in der bis zu 100 Meter hohe Maschinen stehen. Hunderte schaffen es auf Bagger und Förderbänder, hissen Transparente und machen klar, was sie wollen: Kohleausstieg jetzt. Solche Massenaktionen des zivilen Ungehorsams sind, anders [2][als etwa die Demos bei G20] in Hamburg, offenbar eine Protestform, die für die einen aufregend genug und berechenbar genug für die anderen ist.

Anders als etwa bei G20, wo schon Wochen vorher Angst vor dem schwarzen Block geschürt wurde, hat Ende Gelände gar keinen schwarzen Block – nur weiße Anzüge. Hier werden keine Steine geschmissen, hier brennen keine Barrikaden. Hier klettern Leute auf Bagger und schneiden, konspirativ und akribisch vorbereitet, Kraftwerke von der Zufuhr ab.

Fester Teil deutscher Protestgeschichte

Wo man bei G20 außerdem gegen Erdogan oder Putin auf die Straße ging, wird hier mit dem Kohleausstieg auf ein viel konkreteres Ziel hingearbeitet. Damit zeigen sich auch die großen Organisationen wie Greenpeace oder der BUND solidarisch, Campact hat über seinen Verteiler Unterstützung für die Menschenkette „Rote Linie gegen Kohle“ mobilisiert, die 35 Kilometer weiter am Hambacher Wald stattfindet. Und sogar die Grünen-ChefInnen Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt haben angekündigt, bei dieser Demo dabei sein zu wollen.

Im dritten Jahr seiner Existenz hat sich Ende Gelände fest in die bundesdeutsche Protestgeschichte eingeschrieben. Damit hat das Bündnis ein Ziel schon erreicht, bevor die diesjährige Aktion überhaupt gestartet ist: Es dringt weit vor in genau die gesellschaftlichen Bereiche, die mit der radikalen Forderung nach einem sofortigen Kohleausstieg bisher nicht erreicht wurden. Ob die Besetzung dieses Mal tatsächlich wieder gelingt, ist insofern zweitrangig. Entscheidend ist nicht, dass dem Kraftwerk die Kohlezufuhr für dieses Wochenende abgegraben wird – sondern die Akzeptanz für die nächsten Jahre.

25 Aug 2017

LINKS

[1] /Ende-Gelaende-Camp-gegen-Braunkohle/!5439333
[2] /Polizeitaktik-bei-G20-Protesten/!5435105

AUTOREN

Patricia Hecht

TAGS

Braunkohle
Protest
Schwerpunkt Klimawandel
G20-Gipfel
Schwerpunkt Hambacher Forst
Schwerpunkt Ende Gelände!
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Ende Gelände!
Schwerpunkt Ende Gelände!
Schwerpunkt Klimawandel
RWE
Braunkohle
Demonstrationen
Braunkohle
Schwerpunkt Ende Gelände!

ARTIKEL ZUM THEMA

Aktivistin über Hambacher Forst: „Wir bunkern Essen im Baumhaus“

Eine Aktivistin erklärt, wie sich der Hambacher Forst auf die Räumung vorbereitet. Doch auch danach soll der Widerstand gegen RWE nicht enden.

Kommentar Klimaprotest „Ende Gelände“: Die Politik braucht den Druck

Die Proteste im rheinischen Revier waren ein wichtiges Signal. Sie erinnern im Wahlkampf daran, dass der Ausstieg auf die Tagesordnung gehört.

Klimaprotest „Ende Gelände“: Symbolische Störungen

Am zweiten Tag der Proteste unterbrechen mehrere Blockaden zeitweise Zufahrtswege zu Kraftwerken im rheinischen Revier.

Klimaprotest „Ende Gelände“: Rote Linie gegen Kohle

Vor den Baggern des Braunkohleverstromers RWE protestieren 3.000 Menschen. Der Konzern bedrohe nicht nur das Klima, sondern ganze Landstriche.

Klimaprotest „Ende Gelände“: Blockaden und Demos

Bei den Protesten in Nordrhein-Westfalen ist mit weiteren Sitzblockaden zu rechnen. Im Laufe des Tages ist eine Vielzahl von Aktionen angekündigt.

Katja Kipping über den Kohleausstieg: „Kein Zurück beim Klimaschutz“

Die Linke diskutierte jüngst, ob etwas weniger Klimaschutz nicht auch okay sei. Die Parteivorsitzende hält aber am Kohleausstieg fest.

Klimaprotest „Ende Gelände“: Bis der Ofen aus ist

Kohlegegner blockieren im Rheinland Züge und Bagger. Ihre Strategien haben sie im Anti-Atom-Protest gelernt.

„Ende Gelände“ in NRW: Braunkohleproteste haben begonnen

Aktivisten wollen den Braunkohle-Betrieb im Rheinischen Revier stören. Die Polizei rechnet mit Straftaten. Doch der erste Tag begann ganz ruhig.

Geplante „Ende Gelände“-Proteste: Blockaden in Sicht

NRW steht vor den größten Klimaprotesten, die das Land je erlebt hat. Ab Donnerstag starten die „Aktionstage“, die ersten 1.000 Aktivisten sind schon da.

Bildung und Protest im Rheinland: Klimacamps gestartet

Sie bereiten Demonstrationen und Blockaden vor. Es soll bei den Klimacamps aber auch um Vernetzung mit anderen sozialen Bewegungen gehen.

„Ende Gelände“-Camp gegen Braunkohle: Aufrüstung im Rheinland

Ein 6.000-Leute-Camp wurde erst auf den letzten Drücker genehmigt. Das Innenministerium befürchtet Ausschreitungen wie bei G20.