taz.de -- Das Ende von Harry Potter: Um elf in London

Die letzte Szene der Harry-Potter-Bücher spielt am 1. September 2017. Die Potter-Familie ist daher am Bahnhof King’s Cross anzutreffen.
Bild: Lang, lang ist's her: Ron, Hermine und Harry (v.l.n.r.) in jungen Jahren

Wer dies früh genug liest, kann es noch schaffen: Am 1. September 2017 um elf Uhr startet der Hogwarts-Express vom Bahnhof King’s Cross in London. Und ein 37-jähriger Mann bringt mit Blitznarbe seinen Sohn zum Gleis Neundreiviertel.

Es ist die letzte Szene aus der „Harry Potter“-Reihe. Sie spielt 19 Jahre nachdem Harry und seine Freunde Lord Voldemort besiegt haben. Harry und Ginny haben inzwischen drei Kinder, Ron und Hermine haben zwei, und alle zusammen winken sie in dieser Szene ein letztes Mal dem Zug nach.

Die Szene ist furchtbarer Kitsch. Viele LeserInnen hätten im letzten Buch lieber ein offenes Ende gehabt. Und doch ist der heutige Tag ein wichtiger Tag für Potter-Fans. Denn heute endet ihre Geschichte endgültig.

Zum Potter-Fandom gehört nämlich, dass man die Fiktion zur Realität erklärt: Es gibt „echte“ Zauberstäbe und Zeitumkehrer und Hogwarts-Schulbücher zu kaufen. Das Zaubererdorf Hogsmeade ist tatsächlich auf Google-Maps zu finden (Hogwarts hingegen nicht, was vermutlich mit einer Reihe von Anti-Ortungs-Zaubersprüchen zusammenhängt). Im Netz können alle, die mit elf Jahren keinen Brief aus der Zauberschule bekommen haben, sich doch noch anmelden und in eins der vier Häuser sortieren lassen.

„Ein ganz gewöhnlicher Tag“ – typisch Muggel

Kurzum, der Reiz des Potter-Universums besteht darin, dass es unser Universum ist – im Gegensatz etwa zum „Herrn der Ringe“ oder anderen Fantasyreihen. Man kann sich vorstellen, dass einem täglich Zauberschüler begegnen, dass irgendwo hinter einem Haufen Mülltonnen der geheime Eingang zu einer magischen Einkaufsstraße liegt.

Und dass heute Vormittag der echte Harry Potter mit etwas schüttererem Haar und ersten Anzeichen von Krähenfüßen am Bahnhof King’s Cross durch eine magische Backsteinmauer schlendert.

Aber es ist die letzte Szene. Es gibt kein weiteres Futter für die Fans, keine Bildwelten für die Köpfe.

Klar, es gibt das „Verwunschene Kind“, ein Theaterstück, in dem Harrys und Ginnys Familie vorkommt. Aber alles, was Joanne K. Rowling zu den sieben Originalbänden hinzufügt, bleibt Flickwerk und hat viel an ursprünglicher Magie eingebüßt. Es sind Trostpflaster, um darüber hinwegzutäuschen, dass eine der beliebtesten Geschichten der Gegenwart zu Ende ist, so wie jede Geschichte eben irgendwann enden muss.

Am Bahnhof King’s Cross bereitet man sich übrigens nicht auf Schwärme von Fans vor, die heute versuchen könnten, der Familie Potter zu begegnen. „Es wird ein ganz gewöhnlicher Tag“, sagt eine Sprecherin der Betreiberfirma.

Muggel eben.

1 Sep 2017

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Peter Weissenburger

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