taz.de -- Austritt eines Theologen aus der CDU: Ohnehin weiter links vermutet

Dass Frank Richter CDU-Mitglied war, erfahren viele erst durch seinen Austritt. Freunde würden sich von ihm abwenden, bliebe er weiter in der Union.
Bild: Frank Richter im Jahr 2015 in der Talksendung „Günther Jauch“

DRESDEN taz | Einmal mehr der lange Arm der CDU, wurde 2009 gemunkelt, als Frank Richter zum Direktor der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung berufen wurde. Ein Irrtum. Die Grundeinstellung des heute 57-jährigen Theologen zur Macht war immer eine prüfend-kritische.

Und von seinem CDU-Eintritt Anfang der 1990er Jahre erfahren viele erst jetzt, nachdem sein Austritt aus der Union bekannt geworden ist. Nie spielte das Parteibuch in seiner achtjährigen Leitungsfunktion und bei seinen zahlreichen Schlichtungs- und Vermittlungsaufgaben eine Rolle. Wenn vielleicht Partei, hätte man ihn ohnehin weiter links vermutet.

Die Austrittsgründe, die Frank Richter jetzt nennt, bestätigen diesen Eindruck. Auslöser war die auf Betreiben der CDU verhinderte Diskussion über die Anthologie „Unter Sachsen“ beim Lesefest Meißen im Juni. Richter ist in dem Buch, das sich mit ultrakonservativen und fremdenfeindlichen sächsischen Phänomenen befasst, mit einem Artikel vertreten.

Der taz nennt Richter weitere Beweggründe: deutsche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, die sächsische Bildungspolitik. Gegenüber der Sächsischen Zeitung berichtet er von Freunden, die bei fortgesetzter CDU-Mitgliedschaft mit Abwendung gedroht hätten. „Da musste ich einfach mal meine persönliche Situation bereinigen.“

„Jungstar“ an der Dresdner Hofkirche

Vor allem aber kritisiert er die mangelnde Diskussionskultur in der sächsischen Union, die eine offene und fruchtbare Kontroverse nicht kenne. Genau dafür aber stand die Person Frank Richter nicht erst, seit er Verantwortung für die Politische Bildung in Sachsen trug.

Am Abend des 8.Oktober 1989, als Tausende Demonstranten auf der Prager Straße in Dresden eingekesselt waren, sorgte er mit der Bildung einer Verhandlungsgruppe für den ersten Dialog mit der SED-Stadtspitze.

Damals war der katholische Kaplan noch der „Jungstar“ an der Dresdner Hofkirche. Viele Jahre später entschärfte sein diplomatisches Geschick auch den Streit um den Umgang mit Nazimärschen, die das Zerstörungsgedenken Dresdens am 13. Februar missbrauchten.

Dazwischen lagen sein Rückzug aus dem Priesteramt und eine vorübergehende pädagogische Tätigkeit in der Sächsischen Bildungsagentur und in Hessen. Der intelligente Selbstdenker passt schwerlich in Institutionen und fand als Moderator zu seinem eigentlichen Element. Ganz besonders seit dem Aufkommen von Pegida 2014 und dem von Populisten instrumentalisierten Volksgrummeln.

Niemanden aufgeben

Eigentlich mit dem richtigen Riecher für politische Zusammenhänge ausgestattet, begab sich Richter auch hier auf Glatteis. Eine Pressekonferenz der Pegida-Spitze in der Landeszentrale und Diskussionsveranstaltungen, die blanker Polemik ein Forum boten, trugen ihm den Ruf als „Pegida-Versteher“ ein.

Was ihn dabei umtreibt, sind die neutestamentlichen Botschaften, das pastorale Charisma des ehemaligen Pfarrers. Niemanden aufgeben, jeden zuerst als Gottesgeschöpf und als erreichbaren Menschen ansehen.

Seit Richter nicht mehr im Kreuzfeuer auf dem Direktorenposten der Landeszentrale sitzt, kann er der Vermittlungstätigkeit bei der Stiftung Frauenkirche besser folgen. Einen Dialog in und mit seiner ehemaligen CDU aber hält er offenbar für aussichtslos.

10 Aug 2017

AUTOREN

Michael Bartsch

TAGS

CDU
Schwerpunkt Pegida
Dresden
Sachsen
Schwerpunkt AfD
Der Monat in rechten Medien
Deutscher Comic
Peter Tauber

ARTIKEL ZUM THEMA

Oberbürgermeisterwahl in Sachsen: AfD und CDU proben Bündnis

Um Frank Richter als Oberbürgermeister zu verhindern, unterstützt die AfD den CDU-Kandidaten Olaf Raschke. Der wehrt sich nicht dagegen.

Juli 2017 in rechten Medien: Die sozialen Stars

Am rechten Rand haben sich Medien etabliert, die über Social Media erfolgreich sind. Im Juli diskutierten Rechte vor allem über Gewalt in Hamburg.

500. Ausgabe des DDR-Comics „Mosaik“: Ostkobolde im Westen integriert

Seit 62 Jahren existiert das in der DDR gegründete Comic „Mosaik“. Auch in der 500. Ausgabe wird noch auf spielerische Weise Wissen vermittelt.

Peter Tauber über linke Gewalt: „Die sind peinlich, aber gefährlich“

Deutschland ist nicht von links bedroht, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Die Parteien links der Mitte müssten aber ihr Verhältnis zur Gewalt klären.